Vom Geben und Nehmen

Kinder geben einem so viel. Wie oft habe ich diesen Satz im Laufe meines Lebens schon gehört? Klar, es stimmt. Das Gefühl Eltern (in meinem Fall Mutter) zu werden und zu sein ist mit nichts vergleichbar. Aber dieses Gefühl entsteht doch in erster Linie nicht dadurch, dass etwas gegeben wird. Im Gegenteil. Nehmen. Sie nehmen Dir den Schlaf. Sie nehmen Dir die Flexibilität und die Unabhängigkeit. Die Nerven, nicht nur genommen, sondern auch noch den letzten geraubt.
Das Gute an den Nerven ist: die erholen sich. Sie wachsen mit dem Kind.
Zeit.
Während der Schwangerschaft habe ich mich gefragt, wie das wohl ist ein Kind zu lieben. Ich erkläre das mittlerweile so: wenn Du einen Hund hast, dann liebt der Dich abgöttisch und egal, wie scheiße Du Dich auch verhalten würdest, er würde immer mit Dir gehen. So ist es mit Kindern auch. Ich bin der Hund. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch zu solchen Gefühlen fähig ist. Wenn ich den Kleinen mal wieder angucke und denke: Du kleine Kacknase, am liebsten würde ich Dich jetzt hier schreien lassen und duschen gehen. Bekomme ich entwaffnendes Lächeln. Das hat er übrigens von mir, vielleicht bringt ihm das irgendwann auch so viel Trinkgeld ein wie seiner Mutter.
Als ich vorgestern im Bett lag und der Fratz nach einer Schreiattacke endlich schlief dachte ich: Du musst Dich ergeben.
Ich habe das im letzten halben Jahr schon oft gedacht. Ergib Dich, Mutter! Fehlte nur noch, dass mir der Zwerg ein Z ins Stillhemdchen kotzten würde. Komischerweise habe ich bei jedem „sich ergeben“ gedacht, ja, jetzt hast Du’s gelernt. Spätestens als ich meine (nun endlich beim Gutachter liegende) Magisterarbeit immer wieder unterbrechen musste, weil das Baby sich in den Kopf gesetzt hatte nur noch auf mir zu schlafen, war ich überzeugt davon es gelernt zu haben.
Nach jedem Ergeben bin ich die Entspanntheit in Person. Bis zum nächsten Wachstumsschub. Dabei geht es gar nicht so sehr um das körperliche Wachsen, wobei das sicher auch nicht angenehm ist und ich sehr froh bin, mich an diese Phase in meinem Leben nicht mehr erinnern zu müssen. Es geht, wie so oft im Leben, um die Wahrnehmung. Die Welt des Babys verändert sich ja jeden Tag. Es kann mit jedem Tag etwas mehr und will es auch. Was es nicht kann führt zu Frustration. Ich habe lernen müssen, mir jeden Tag zu sagen: Luzieh, wenn Du Dich innerhalb von sechs Wochen von: „nicht bewegen“ zu „durch das Wohnzimmer robben“ entwickelt hättest, dann würdest Du auch durchdrehen. Immer wenn ich mir das sage, lächele ich und räume die nächste Gefahrenquelle aus dem Raum. Die Blumen sind schon aus dem Wohnzimmer gewandert und just gerade eben hat das Baby die Stehlampe für sich entdeckt und so lange am Stecker gezogen, bis dieser aus der Dose gerutscht ist. Also: Steckdosen sichern.
Die Sache mit der nicht vorhandenen Unabhängigkeit hat mich bisher nicht weiter gestört. Die ersten Wochen wollte ich gar nicht hier und da hin. Dann musste ich wegen widriger Umstände meine Magisterarbeit innerhalb von zweieinhalb Monaten schreiben und danach wollte ich dem Baby in aller Ruhe beim Wachsen zugucken.
Dann gingen mein Partner und ich in Freizeitverhandlungen. Er geht nun einmal die Woche Klettern und alle zwei Wochen ins Fitnessstudio. Wir wollten mir auch die Möglichkeit geben, ohne Kopfstress wegzugehen. Leider nimmt unser Kind keine Flasche, obwohl da das Gleiche drin ist, wie in mir und verweigert mit seinen 6,5 Monaten die Beikosteinführung in einer Vehemenz, die wirklich faszinierend ist. Und ständig über Tag im Café abhängen nur um im Ansatz das Gefühl von Unabhängigkeit zu haben? Nö, das macht uns beiden keinen Spaß. Was ich tue, tue ich momentan mit dem Baby: Yoga mit Kind (ich Yoga, Kind guckt), Delfi (Kind Delfi ich gucke)…nur Samstag nach dem Babyschwimmen (das macht der Papa, aber ich muss ja momentan noch als Nahrungsquelle mit) geh ich zur Hundschule. Ohne Baby, mit Hund. Jetzt ist die Frage, ob ich lieber montags wieder zum Plenum meiner Politgruppe gehe, oder mittwochs zum Schwimmen. Und dann soll es ja noch den einen oder anderen Abend geben, an dem wir zu zweit sind, während unser Baby schläft. Aber das ist ein anderes Thema. Der Titel für den nächsten Bericht steht schon: Wackelige Beine – Partnerschaft trägt Elternschaft.

12 Gedanken zu “Vom Geben und Nehmen

    1. Hallo! Habs heute mit Brot und Frischkäse probiert. Das wurde zwar eher bearbeitet, als gegessen, aber wir kommen der Sache näher… :-)

  1. nicht als trick, sondern weil es sich einfach so ergab: die meinen lutschten gern saure gurke. und irgendwann halt statt brust auch mal bulette.

    1. Heute habe ich ein unverdautes Korn in der Windel gefunden und habe mir dann doch mal leicht bekömmlicheres Brot besorgt…auch weil wie eine recht anstrengende Nacht hatten:-)…aber nun weiß ich, dass das Essen seinen Weg findet. Er will es eben selber machen…von wem er das nun wieder hat?

      Ich glaube für Eingelegtes ist es noch zu früh :-)

      1. Das Körnchen hing nach dem Abwischen noch am Baby rum…ansonsten werf ich nur schnell nen prüfenden Blick auf die Konsistenz, oder einen anerkennenden auf die Menge ;-)

  2. Als ich den Titel gelesen habe, hat schon das Kopfkino begonnen:

    Nur gut, dass in Wirklichkeit …

  3. und das schöne daran ist: du erlebst etwas mit (manchmal mit wenig schlaf oder viel bläh), woran du dich für dich selbst garnicht erinnern kannst.

    1. ja, unvorstellbar. Und könnt ich mich erinnern, würd ich ihn oft schneller verstehen…aber dann käme es mir sicher auch nicht so süüüß vor, das Soprangebrabbel :-)

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