LMHI – Akutes Abdomen

Je öfter ich die Abstracts des 72. Homöopathischen Weltärztekongresses in Leipzig (LMHI) durchblättere, desto beeindruckter bin ich vom Mut der Homöopathen, sich gegen den verbohrten medizinischen Mainstream zu stellen. Leider sind die Ärzte vom Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) nich so mutig wie beispielsweise die indischen Kollegen. Frau Bajic und andere führende Homöopathen betonen öffentlich wieder und wieder, die Domäne der Homöopathie sei die Behandlung chronischer Erkrankungen. Um so erfreulicher ist es, dass auf dem LMHI DozentInnen die Möglichkeit gegeben wird, auch die homöopathische Behandlung von lebensbedrohlichen, akuten Erkrankungen darzustellen.

So wie im Vortrag CM15/03 „Wirksamkeit der homöopathischen Medizin bei der Behandlung eines akuten Abdomens, beobachtet in einem privaten homöopathischen Zentrum in Indien.“ Beim „akuten Abdomen“ handelt es sich nicht um eine Erkrankung an sich, sondern eine Zustandsbeschreibung. Bei Wikipedia lesen wir u. a. das akute Abdomen zeichne sich durch „meist akut einsetzende Symptomatik (Anm.: u. a. sehr stark ausgeprägter Schmerz) bei vielfach lebensbedrohlichen Erkrankungen im Bauchraum“ aus. Weiter lesen wir, „das akute Abdomen erfordert eine rasche Diagnostik und oft eine notfallmäßige operative Therapie.“ Also im Grunde das perfekte Krankheitsbild, um zu beweisen, dass die Homöopathie auch bei chirurgischen Krankheitsbildern eine tolle alternative Therapie darstellt.

Die deutschen Homöopathen waren nicht immer so zurückhaltend wenn es um die Möglichkeiten der Homöopathie ging. Adolf Voegeli ist einer der wichtigen Homöopathen des 20. Jahrhunderts, seine Bücher werden bis heute verlegt und vom DZVhÄ als Autorität herangezogen. Mut bewies Voegeli z. B. im Werk „Homöopathische Therapie der Kinderkrankheiten“ beim Thema Blinddarmentzündung (auch „Appendizitis“):

„Die Appendizitis wird heute allgemein als chirurgische Krankheit betrachtet, weshalb ein homöopathischer Arzt bei einem Versager mit Unannehmlichkeiten zu rechnen hat. Aus diesem Grund empfehle ich deshalb, die akute Appendizitis der Chirurgie zuzuführen. Das ist jedoch nur eine Konzession an die heute herrschende Meinung.“

Da kann der DZVhÄ sich noch eine Scheibe von abschneiden! Glücklicherweise macht der DZVhÄ mit dem LMHI viele Schritte in die richtige Richtung, zu mehr Mut in der homöopathischen Therapie. Im Abstract zum Vortrag von Manonmani, Suresh und Ganesh ist zu lesen, die „klinische Diagnose akutes Abdomen ist eine Herausforderung für ein homöopathisches Management.“ Trotzdem schrecken die Autoren nicht vor dessen homöopathischer Behandlung zurück. Immerhin, so geben sie an, „(ist) Homöopathie (…) eine vollständige, fortschrittliche, moderne Wissenschaft“. Und wie richtige Wissenschaftler suchten sie alle, innerhalb eines Jahres, homöopathisch behandelten Fälle von akutem Abdomen in Südindien zusammen (34) und werteten sie aus.

Homöopathie lebt von Vertrauen. Darum vertraue ich darauf, dass die Autoren u. a. Survivorship-Bias, Bestätigungsfehler, Verfügbarkeitsheuristik, Blind-Spot-Bias und andere kognitive Fehler auf ein Minimum reduziert haben und nicht einfach unsystematisch gesammelte Fälle präsentieren werden. Wichtig ist vor allem, dass sie sich an die Methoden der „vollständigen, fortschrittlichen, modernen Wissenschaft“ Homöopathie halten. Und das haben sie, wenn sie schreiben: „detaillierte Fallstudien wurden auf der Grundlage von standardisierten homöopathischen Fallberichten durchgeführt.“ Dann konnte ja nichts schiefgehen. Natürlich wurde bei einem akut lebensbedrohlichen Krankheitsbild keine Zeit verloren und die „Homöopathie wurde innerhalb von 3 bis 36 Stunden angewendet, basierend auf der Art, der Lokalisation und der Schwere der Pathologie des Patienten.“ Alles individuell versteht sich.

Die Ergebnisse waren dementsprechend vielversprechend:

„Homöopathische Arzneimittel zeigten Verbesserungen bei 26 von 34 Fällen. Bei 8 Fällen wurden keine Verbesserungen gefunden. Bei 19 der 26 Fälle wurden deutliche Verbesserungen beobachtet. In 7 Fällen wurden leichte Verbesserungen dokumentiert, die für die Patienten eine Lebensrettung bedeuteten.“

Wenn schon „leichte Verbesserungen“ „eine Lebensrettung bedeuteten“, wie spektakulär muss das Ergebnis nur bei „deutlichen Verbesserungen“ gewesen sein? Vielleicht kam es zu einer Umkehr des Alterungsprozesses, Haarwachstum oder Libidosteigerung? Hoffentlich klären die Autoren darüber beim LMHI auf! Die Schlussfolgerung der Autoren nach diesen spektakulären Ergebnissen lautet:

„Diese Studie zeigt deutlich, dass homöopathische Arzneimittel äußerst effektiv sind bei lebensgefährlichen akute abdominellen Nofällen.“

Wenn der DZVhÄ dem Beispiel der indischen Kollegen folgt – den indischen Kollegen, denen der DZVhÄ beim LHMI ein Podium zur Verbreitung der Idee, man könne ein akutes Abdomen homöopathisch behandeln – werden bald qualifiziert homöopathische Ärzte in den deutschen Notaufnahmen Patienten mit dieser „vollständigen, fortschrittlichen, modernen Wissenschaft“ behandeln. Das könnte auch Frau Widmann-Mauz freuen. Natürlich müssen Patienten auch bei ihren homöopathischen Behandlern Kritisch bleiben und die Behandlung und ihre Genesung genau beobachten, damit sie nicht zu „Versagern“ werden. Denn, auch darauf weisen die Autoren – in diesem Abstract, für einen Vortrag auf einem vom DZVhÄ ausgerichteten Kongress – hin, „Reichweite und Begrenzung der Homöopathie liegen im Homöopathen.“

Wenn wir uns die Erkrankungen anschauen, deren homöopathische Behandlung auf dem LMHI propagiert werden, wundert uns diese Aussage natürlich nicht. Auch LeserInnen dieses Blogs wissen schon lange, dass Homöopathie laut ihrem Selbstverständnis alles heilen kann. Homöopathie ist nie das Problem, das Problem liegt entweder im Behandler oder im Patienten. Das sind unangenehme Wahrheiten aber wer hat je behauptet, wirksame Therapien wären angenehm und hätten keine Nebenwirkungen? Von Homöopathen einmal abgesehen.

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