Fundstücke 13: Frühlingsgewächs

Mir wurde wieder einmal bestätigt, dass ich an der Grenze ganz gut lebe, denn: Polen sind die attraktivsten Einwohner Europas. Jedenfalls denken sie das selbst.

Ob mir das jedoch bei dem Fundstück weiterhilft, das ich vor zwei Wochen machte, ist anzuzweifeln:

Ende letzten Jahres hatte man mir vier Ingwerknollen geschenkt, das ist, im Nachhinein betrachtet, für eine Person wohl etwas zu viel. Jedenfalls wächst und gedeiht die kleine und ich werde sie demnächst einpflanzen. Hat hier jemand einen Tipp, ob und wie das in Ostdeutschland was werden kann?

Ingwer trinke ich normalerweise im Tee, aber ich sage auch zu einer Kombination mit Schokolade nicht nein. Schokolade macht glücklich, Schokolade beruhigt, so der Volksmund. Ich bin eine Schokoladenkonsumentin, die der Industrie vermutlich Freude macht. Und weil ich nicht ganz mit zugedrückten Augen durch die Welt laufe, weiß ich auch, dass wahrscheinlich nicht jede Kakaobohne fair angebaut wird. Vielleicht ist das naiv, aber das Ausmaß der Ausbeutung war mir bisher nicht klar.

Plantagenbesitzer “importieren” – das heißt entführen – 12 bis 14jährige Kinder für ca. 200 Euro pro Kopf nach Ghana und Elfenbeinküste. Die ARD hat dazu eine Dokumentation gedreht, die hier verfügbar und eigentlich für jeden, der gerne Kakaoprodukte verzehrt, ein Muss ist.

Es ist nicht gerade geschickt, in einem Film den Zuschauer anzuklagen, vielleicht tut diese Dokumentation es deshalb nicht. Dass aber die Schuld allein auf die Industrie abgeschoben wird, ist mir zu einfach. Zumindest ein bisschen kann der Verbraucher auch tun.

In mehreren Sprachen gibt es das ausgeprägte Phänomen, psychische Probleme mit schmerzenden Körperteilen zu betiteln. Auch uns ist ja das gebrochene Herz nicht fremd. Untersuchungen des sozialen Neurowissenschaftlers John T. Cacioppo – übrigens hat er diese Bezeichnung für das, was er da macht, selbst erfunden – sagen aus, dass Menschen, die sich einsam fühlen, die selben Gesundheitsrisiken tragen wie Raucher oder Menschen mit starkem Übergewicht. Den Grund dafür sieht er übrigens hierin:

“Cacioppo hat bei Menschen, die in der Fragebogen-Skala hohe Werte erreichten, einen erhöhten Widerstand der Blutgefäße festgestellt, der für Bluthochdruck anfällig macht. Auch das Stresshormon Cortisol war deutlich erhöht.”

Anfällig für Stress war vermutlich auch dieser nette Europa-Politiker von der Österreichischen Volkspartei – selbstverständlich bevor die Sunday Times aufdeckte, dass er bloß im Parlament saß, um Lobbyismus für die ihn bezahlenden Unternehmen zu betreiben. Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass es mal passieren könnte, dass sich die Interessen der einzelnen Unternehmen ab und an unterscheiden und dass die Koordination immer schwieriger wurde, je mehr dazu kamen.

Was ich aber eigentlich sagen wollte: normalerweise müsste eine Partei, die durch so jemanden schaden genommen hat, doch zumindest aufpassen, wen sie als Nachfolger einsetzt. Rein aus PR-taktischen Erwägungen. Nunja, es scheint ihnen nicht recht gelungen zu sein, wenn man sieht, was bis vor kurzem noch auf dessen Homepage stand:

„Mit meiner Agentur EU-TRICONSULT liefere ich Ihrem Unternehmen rasch und laufend die aktuellsten EU-Informationen und gestalte die Kontakte und Beziehungen zu den Akteuren in Brüssel so, dass die Interessen Ihres Unternehmens erfolgreich vertreten werden.“

Weiter:

„direkte Zugänge und persönliche Kontakte zu den Entscheidungsträgern und Gesetzgebern auf europäischer Ebene“… sichern … „die Möglichkeit der rechtzeitigen Einflussnahme“.

Wenn ich von solchen Politikern höre, muss ich jedesmal fast meinen Mageninhalt irgendwo anders platzieren. Denn ich mag die europäische Idee, das Vorhaben, zusammen die Probleme zu lösen, die der Nationalstaat allein gar nicht mehr hinbekommen kann, ganz davon abgesehen, dass es viel klüger wäre, wenn man konstruktiv zusammenarbeitet. Dementsprechend freue ich mich, wenn ich so etwas hier in den Mainstream-Nachrichten lese:

“Viel wichtiger ist aber, dass wir wirklich europäische Öffentlichkeit konstruieren. Das geht nicht darüber, dass wir alle ARTE gucken oder das Auslandsprogramm der Deutschen Welle hören, sondern dass wir Themen, die alle in Europa betreffen, diskutieren. Europäisch ist nicht der Inhalt, europäisch ist die Form, in der wir uns eine gemeinsame politische Identität gewinnen.”

Das ganze Interview mit Claus Leggewie findet sich hier. Den Herrn kannte ich übrigens bisher nur aus Äußerungen zum Verhältnis zwischen Politik und Religion. Damit bekomme ich mit etwas verrenktem Hals, aber immerhin, auch noch die Kurve zu meiner letzten Empfehlung:
Antje Schrupp berichtet über einen Kongress, der meines Erachtens sehr gut das Mainstream-Denken wiederspiegelt: Es herrscht in den Köpfen ein krampfiges Religion vs. Atheismus. Dagegen empfiehlt sie:

“Wenn es darum geht, sinnvolle Konfliktlinien innerhalb eines solchen Diskurses auszumachen, dann würde ich sie in erster Linie zwischen solchen Menschen sehen, die interessiert an den Argumenten Andersdenkender sind, weil sie die Hoffnung haben, dadurch selbst bereichert zu werden, und solchen, denen es in Diskussionen in erster Linie darum geht, Recht zu behalten und zu „gewinnen“.”

Foto der Woche (samt Artikel): Der Osten stirbt aus? Denkste!

Die nächsten Fundstücke kommen wie die letzten von merdeister.

PS. Da ich diese 13. Fundstücke an einem Freitag, den. 1. April veröffentliche, finde ich, dass das genug Zahlen sind, um auf Scherze verzichten zu können :)

2 Gedanken zu “Fundstücke 13: Frühlingsgewächs

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