Homöopathen im Siegesrausch – Ileus und Grippe

Die Carsten-Stiftung veröffentlichte im März 2006 die Stellungnahme (PDF) „Homöopathie – Zum Stand der klinischen Forschung„. Darin wird eine Wirkung von Homöopathie für einige Erkrankungen behauptet. In diesem Teil der Serie geht es um Darmlähmung nach Operation [1] und Atemwegsinfektionen [3].

Teil I (Heuschnupfen), Teil II (Fibromyalgie) und Teil III (Durchfall) –

Auf geht es, zum vorerst letzten Teil der Serie und der beginnt mit einer faustdicken Überraschung. Zum Thema Darmlähmung konnte ich nichts finden, was die Aussage der Carstens-Stiftung gut widerlegt. Doch der Reihe nach.

Zu den Autoren der angegeben Metaanalyse[1] gehört Edzard Ernst. Zack, da ist dem einen oder anderen Homöopathieanhänger schon das Messer in der Hose aufgegangen. Ernst nimmt in einer Sammlung zum Thema Alternativmedizin[2], die er uns zum Abschluss seiner Zeit in Exeter geschenkt hat, noch einmal Stellung zur damaligen Studie:

„There is evidence that homeopathic treatment can reduce the duration of ileus after abdominal or gynecologic surgery.“

– Jubel auf den Rängen mit den Homöopathen, man fällt sich in die Arme. –

Nicht so schnell, es gibt einige Punkte, die Anlass zur Kritik geben. So merken die Autoren an, das Ergebnis könnte durchaus mit Fehlern in den Originalarbeiten zusammenhängen.

– „Ach diese Wissenschaftler, immer sind die so kritisch. Wir wissen doch, dass es funktioniert, weil wir es sehen, jeden Tag. Jetzt ist die Wirksamkeit der Homöopathie auch wissenschaftlich bewiesen.“ –

Nun, eigentlich nicht. Denn nach homöopathischer Lehre wirkt ein Mittel stärker, je höher es potenziert ist. In dieser Studie zeigt sich jedoch das Gegenteil.

„Although the effect of homoeopathy over placebo was statistically significant for both fixed homoeopathic preparations and remedies of <12C potency, this was not the case for remedies of >12C potency.“

– Gemurmel: „….falsch durchgeführt…“, „…Einzelfall, das sollte man nicht überbewerten…“, „…Simile Prinzip ist eh wichtiger…“

Wie auch immer, dieses Tor geht an die Homöopathen, zum jetzigen Zeitpunkt kann man aus Studien den Schluss ziehen, das Homöopathie >C12, im Vergleich zum Placebo, Patienten nach einer OP schneller furzen lässt, denn das war der Endpunkt der Studie.

3:1

Und da es der letzte Spieltag ist, gehen wir gleich in die Verlängerung und kümmern uns um die Atemwegsinfektionen. Vermutlich wird in der Stellungnahme „Atemwegsinfektionen“ geschrieben, um die Indikation etwas auszudehnen. In der Arbeit steht „treating Influenza and influenza-like syndroms“, was man eher mit „Grippe und grippalem Infekt“ übersetzen könnte, als mit“ Atemwegsinfektionen“.

Während sich die Stellungnahme auf eine Version von 2000 [3] bezieht, schließt die Version der Cochrane Library von 2006 [4] wie folgt:

„Though promising, the data were not strong enough to make a general recommendation to use Oscillococcinum for first-line treatment of influenza and influenza-like syndromes. Further research is warranted but the required sample sizes are large. Current evidence does not support a preventative effect of Oscillococcinum-like homeopathic medicines in influenza and influenza-like syndromes.“

– Stille auf den Rängen. Ein paar Mutige schleichen sich trotzdem zur Cochrane Library, das dauert etwas, man ist nicht oft dort.

„Hey, Moment, da steht: ‚Oscillococcinum treatment reduced the length of influenza illness by 0.28 days.'“ Szenenapplaus, einzelne Hahnemannsprechchöre werden hörbar. –

Welch bahnbrechender Erfolg für eine Disziplin, die angibt, die Ursache des Übels an der Wurzel zu packen, um sie mit Stumpf und Still herauszureißen. Denn so geht heilen. Eine Influenza dauert in der Regel 7 – 14 Tage und wird mithilfe von Homöopathie gegenüber Placebo um 8 Stunden verkürzt, vielleicht.

– „…immerhin 8 Stunden…“, „…haben oder nicht haben…“ –

Zur Prävention von Influenza war Homöopathie jedoch vollkommen wirkungslos.

– „…das geht ja auch nicht…“, „…Homöopathie kann nur heilen…“,“…ohne die individuellen Symptome weiß man doch gar nicht, welches Arzneimittel man nehmen soll…“. Unruhe kommt auf, es wird wieder lauter „…genau, ohne Arzneimittelbild keine Behandlung…“ Triumphgeschrei! „Hahnemann! Hahnemann!“ –

Stimmt, das Arzneimittelbild wollte ich noch erwähnen, für das vorliegende Homöopathikum ist da unter anderem zu finden[5]:

„(Für) Diabetiker, die Angst haben, wenn während eines Gewitter ihr Mann zu spät zu sein scheint, während sie das Gefühl haben, elektrischer Strom, fließe durch ihre, mit Krampfadern versehenen Beine, ihr Anus juckt und sie manisch versuchen sich juckende Beulen vom Handgelenk zu waschen, vor allem wenn ihnen die Nase läuft und sie sich stur weigern, sich keine Sorgen zu machen.“

Diabetics who are afraid when during a thunderstorm their husband seems to be late, while they have a feeling of electric currents through their varicose veined legs, anal itch and itchy bumps on their wrist, that they keep trying to wash off in a maniacal way, especially when they have a runny nose and stubbornly resist advice not to worry.

-„…und?….“ Ratlosigkeit auf den Rängen „…is doch normal…“ –

Natürlich wäre da noch mehr im Arzneimittelbild. Doch in der Studie wurden alle Patienten mit demselben Homöopathikum behandelt. Wieviele Diabetiker dabei waren, habe ich nicht herausgefunden.

-„…dann ist das doch auch gar keine Homöopathie…“,“…genau, doppelt nicht…“,“…deswegen sind das auch nur 8 Stunden…“ –

Das mag sein, doch es wirkt genauso wie Homöopathie, daraus mag jeder seine eigenen Schlüsse ziehen. Beim Mittel handelt es sich um das umsatzstärkste Medikament des Homöopathie-Konzern Boiron und heißt (bitte im Chor!) Oscillococcinum C200.

– Die Ränge leeren sich „…Scheissspiel…“ –

Oscillococcinum, ein Bakterium, dass es nicht gibt [6, 7], gewonnen aus einer Entenleber, in der es nicht vorhanden ist, hilft in einer Potenzierung, in der nichts mehr von nichts enthalten ist, nicht gegen Grippe. Und damit verdient ein Homöopathiekonzern Million. DAS ist Potenzierung!

4:1 Entstand für das Placebo.

  1. 1. Barnes J,Resch K L, Ernst E: Homeopathy for Postoperative Ileus? -A Meta-Analysis .J Clin
    Gastroenterol 1997; 25(4): 628-633.2.
  2. Complementary Medicine. The Evidence So Far. A documentation of our clinically relevant research. 1993 – 2010. (Last updated: January 2011)
  3. Vickers A J, Smith C: Homoeopathic Oscillococcinum for preventing and treating influenza and
    influenza-like syndroms. Cochrane Library 2000;1.
  4. Vickers AJ, Smith C. Homoeopathic Oscillococcinum for preventing and treating influenza and influenza-like syndromes Cochrane Database Syst Rev 2006 3 CD 001957. (http://www2.cochrane.org/reviews/en/ab001957.html)
  5. http://www.homeowatch.org/history/oscillo.html
  6. http://www.sciencebasedmedicine.org/index.php/homeopathic-thuggery/
  7. http://kidmed.org/901/kidmeds-materia-medica/boirons-oscillococcinum-ist-keine-entenleber-sondern/

2 Gedanken zu “Homöopathen im Siegesrausch – Ileus und Grippe

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