Das ist doch nicht mein Ernst!

Wenn etwas hängen bleibt, nach der Lektüre des Textes, in dem der Autor des CAM-Media-Watch-Blogs (CMW) das Porträt in Zeit-Wissen über Edzard Ernst zum Anlass nimmt, seinen Lesern das Bild des „Anderen Edzard Ernst“ zu vermitteln, dann dass Edzard Ernst alles falsch macht. Nicht, weil er Fehler machen würde, sondern, weil er Edzard Ernst ist.

Der CMW-Autor geht mit nicht weniger als dem Anspruch eines „Faktencheck“ an das Porträt aus Zeit-Wissen. Als „Fakt“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine Tatsache bezeichnet. Bei einem „Faktencheck“ erwarte ich also Belege, welche die gecheckten Fakten hinreichend in Frage stellen. Der CMW-Autor ist merkwürdigerweise sehr vorsichtig mit seinen Aussagen. So finden sich gehäuft Formulierungen wie „Meine Meinung (6x), Mein Eindruck (5x), aus meiner Sicht (2x), Meine These (1x)“. Wirklich niedlich ist die Stelle mit dem Vorwurf, Ernst Hauptaktivität bestehe darin „Medienarbeit in eigener Sache“ zu betreiben, wozu dem Autoren „spontan“ zwei Interviews als Beleg einfallen. „Spontan“ fallen mir auch immer tolle Sachen ein, vor allem beim Faktencheckt.

Doch wer ist eigentlich Edzard Ernst? Als erster Lehrstuhlinhaber für Komplementärmedizin in Exeter wurde ihm die Aufgabe zuteil, komplementär- und alternativmedizinische Methoden nach wissenschaftlichen Standards zu überprüfen. Mittlerweile ist er nur noch Halbtags in Exeter tätig. Wie es dazu kam, nimmt im Text auf CMW einen nicht unerheblichen Teil ein.

Wie auch immer man die Geschichte liest, Charles Mountbatten-Windsor spielt eine Rolle darin. 2005 wurde im Namen der „Foundation for Integrated Medicine“ der so genannte „Smallwood-Report“ herausgegeben, mit dem die Möglichkeit massiver Einsparungen im Gesundheitsbereich belegt werden sollte, wenn man nur Alternativmedizin mehr berücksichtigte.

Ernst, anstatt sich an akademische Gepflogenheiten zu halten und sich auf Konferenzen oder in Journals zu Wort zu melden, habe noch vor der Veröffentlichung dieses peer-reviewten Schriftstückes seine Kritik geäußert, so geht es aus dem CMW-Text hervor. Als Beleg dient der Leserbrief des Editors vom Lancet an die Times, in dem er Ernst Fehlverhalten vorwirft.

Gut, so ist das bei stiller Post und lauter Empörung, die Zwischentöne gehen unter. Der Report war weder ein wissenschaftliches noch ein peer reviewtes, sondern ein politisches Dokument. So gesehen war keine wissenschaftliche Debatte darüber vorgesehen. Über den durch seine „Foundation for Integrated Medicine“ herausgegebenen Report versuchte Charles Mountbatten-Windsor, seine eigene politische Agenda voranzubringen. Mr. Mountbatten-Windsor gilt als Anhänger vieler alternativmedizinischer Verfahren und verdient mit einigen selbst Geld, ist also alles andere als unabhängig.

Ernst drückte seine Besorgnis gegenüber einem Journalisten aus, dem bereits ein Exemplar des Reports vorlag. Letzteres könnte auch einer der Gründe dafür sein, dass Ernst im Rahmen eines offiziellen Disziplinarverfahrens von allen Anschuldigungen freigesprochen wurde. Das ist auch der Redaktion von CMW bekannt, immerhin wird diese Tatsache im Text erwähnt, um dann die unappetitliche Geschichte noch einmal auszubreiten. Nach dem Motto: „Freispruch hin oder her, wie es (unserer Meinung nach) wirklich war, erfahren Sie bei CMW!“

Mr. Mountbatten-Windsor was not amused und es deutet, so mein Eindruck (1), einiges darauf hin, dass er im Hintergrund die Fäden zog und Professor Ernst das Leben und die Arbeit schwer machte. Im Endeffekt räumte Ernst vorzeitig das Feld, damit seine Abteilung weiter bestehen bleiben konnte.

Edzard Ernst, so der Autor, sei, im Gegensatz zu Behauptungen in Zeit-Wissen, kein Professor mehr, sondern habe nur noch einen Beratervertrag. Außerdem liege seine Zeit als Forscher hinter ihm. Ernst ist jedoch weiterhin Professor in Exeter, wenn auch mit einer Halbtagsstelle. Er hat auch keinen Beratervertrag. An dieser Stelle wäre ein Faktencheck des Porträts in Zeit-Wissen tatsächlich nötig gewesen, stattdessen hat man bei CMW diesen „Fakt“ unkritisch übernommen. Die Frage der aktuellen Forschungsarbeit von Ernst hätte eine Suche bei Pubmed klären können. Dort datieren die jüngsten Ergebnisse auf März 2012, also nach dem Artikel in Zeit Wissen. Hinter Herrn Ernst liegt Forschung vielleicht in einem anderen Raum-Zeit-Kontinuum.

Anstelle von Herrn Ernst, Entschuldigung, Professor Ernst, würde ich mich über so den CMW-Artikel freuen, zeigt er doch, so mein Eindruck (2), welche Unruhe seine Aktivitäten unter den Lobbyisten für CAM/Integrative Medizin verbreiten. Die Verzweiflung geht so weit, dass man halbseidene Artikel veröffentlicht, leicht zu widerlegende Anschuldigungen verbreitet und sich selbst widerspricht. Ich hoffe, es ist gut für die Moral.

Am Anfang lobt der Autor des CMW-Artikels die akademische Debatte, wenn er schreibt: „Kontroversen sind fester Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens und das Fundament wichtiger Erkenntnisprozesse.“ Weiter unten im Text wird Ernst eben diese Kontroverse vorgeworfen, wenn der CMW-Autor sich empört, zu einer Asthmastudie habe es Kritik „gehagelt“. Ich dachte, die Kontroverse sei Teil des Erkenntnisprozesses? Die Kritik des CMW-Autors entzündet sich vor allem daran, was in der Studie gemessen wurde, nämlich der Lebensqualität. Diese sei bereits bei allen Kindern in der Studie sehr hoch gewesen, womit eine Verbesserung nur schwer möglich gewesen sei. Das leuchtet ein. Schaut man aber nach, warum Kinder mit weniger Lebensqualität nicht in die Studie aufgenommen wurden, findet man die Aussage den Erstautors, die Ethikkommission sei dagegen gewesen. Man habe schwere Komplikationen befürchten, sollten die Kinder mit schwererem Asthma (also wahrscheinlich auch schlechterer Lebensqualität) ihre konventionellen Medikamente absetzen. Na, wenn das kein Beweis ist, dass in Ethikkommissionen nur von Big-Pharma bezahlte Marionetten sitzen.

Apropos Big Pharma. Edzard Ernst, so legt der CMW-Autor nahe, sei im Dienste der Pharmaindustrie unterwegs, um die „Umsatzkonkurrenz“ der Alternativen Medizin auszuschalten. Da könnte man sich fragen, wieso die „Foundation for Integrated Medicine“ mit ihm bei der oben genannten Asthmastudie zusammengearbeitet und die Hilfe von Glaxo-Smith-Klein angenommen hat? Man kann sich auch fragen, warum ein Pharma-Lobbyist einen Kneipp-Preis oder einen Preis der American Botanical Council bekommen sollte. Muss man aber nicht, die Widersprüche in der Welt zu ignorieren gibt ein viel besseres Gefühl.

Um nochmal auf die Studie zurückzukommen, sei angemerkt, dass sich abgesehen von der Lebensqualität, bei der Behandlung mit Homöopathie am Verlauf der Erkrankung ohnehin nicht viel ändern dürfte. Das zeigte eine Studie, welche die Wirkung von Placebos bei der Behandlung von Asthmatikern prüfte und die im GWUP-Blog schön zusammengefasst wurde. Und Homöopathie, so wird im Porträt von Zeit-Wissen Professor Ernst zitiert, sei bei keiner Indikation besser, als ein Placebo.

Man wird nun nicht verwundert sein, über den Protest des CMW-Autors. Als Beleg für den „groben Unfug“ den diese Aussage darstelle verweist er auf ein Interview mit dem Statistiker Herr Lüdtke, damals noch tätig für die Carl und Veronika Carstens Stiftung. In diesem Interview nennt Lüdtke die Indikationen „Heuschnupfen, lebensbedrohlichem Durchfall bei Kindern, Weichteilrheuma, Darmlähmung nach Operation und Atemwegsinfektionen.“ Schaut man sich die Studien, die dieser Aussage zugrunde liegen an, schmelzen die Argumente gegen die Placeboaussage dahin wie Globuli unter der Zunge. So wird aus „grobem Unfug“ eine wahrscheinlich wahre Aussage.

Der CMW-Autor versucht, in seinem Text nicht nur den schlechten Charakter von Herrn Ernst, sondern auch seine schlechte Forschung aufzeigen. Dazu verweist er auch auf die Übersichtsarbeit von Shang et. al. und weist darauf hin, „Ernsts Studie“ sei wegen „mangelnder“ Qualität nicht in den Kreis der letzten 21 bzw. 8 Arbeiten aufgenommen worden. Korrekt müsste es heißen, eine von drei der Arbeiten, an denen Ernst beteiligt war, wurde nicht aufgenommen. Gleich erging es je einer Arbeit an denen Herr Walach und Herr Lüdtke beteiligt waren. Beide scheinen in den Augen des CMW-Autors trotzdem weiterhin ehrbare Wissenschaftler zu sein.

Ob die Forschungstätigkeiten von Herrn Ernst auch bei Menschen, die etwas davon verstehen so niederschmetternd beurteilt werden, wage ich zu bezweifeln. So wurde Ernst „First President of The Society of Hemorheology“ (was nur indirekt etwas mit der Untersuchung von „Durchblutung“, wie es im CMW-Text genannt wird, zu tun hat), hat diverse wissenschaftliche Preise gewonnen, ist Editor in diversen medizinischer Fachzeitschriften und oft eingeladener Redner bei Kongressen. Wen die Details interessieren, lade sich den Lebenslauf von der Uni Exeter herunter.

Das waren nicht alle, jedoch die gröbsten Schnitzer in diesem „Faktencheck“ der uns den „anderen Edzard Ernst“ hat zeigen sollen. Das hat ja auch „fast“ funktioniert. Ich frage mich ob der Qualität des Textes allerdings schon, ob Heel, Weleda und DHU, die sich offiziell als Sponsoren des Projekts CAM-Media-Watch hergeben, glücklich sind, mit dem, was da auch in ihrem Namen produziert wird.

[Bildquelle]

Update 13.6.12

Edzard Ernst gibt einen kurzen Überblick über seine Karriere.

6 Gedanken zu “Das ist doch nicht mein Ernst!

  1. prima artikel!vielen dank. hier noch einige weitere fehler in dem faktencheck:
    – meine professur ist nicht postgradueller natur.
    – wir haben wenig probleme bez patientenzugang und haben bisher ueber 30 klinische studien publiziert,also etwa 1.5 pro jahr im durchschnitt.
    – kein englischer forscher hat meine stelle angeboten bekommen und dann abgelehnt.
    – ich habe sehr intensiv an der methodik-debatte teilgenommen und dazu unmengen publiziert.
    – ich habe sehr wohl kritik an dem smallwood-report publiziert.
    – ich bin niemals einer oeffentlichen diskussion aus dem weg gegangen.
    – zu den zirierten attacken von vickers und resch habe ich bereits gegendarstellungen publiziert.
    mit ein wenig wille und etwas mehr know-how waere das alles im faktencheck unterzubringen gewesen – aber dann waere das natuerich keine schoene story mehr entstanden.

    NEVER LET THE TRUTH GET IN THE WAY OF A GOOD STORY!

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.