Heilpraktiker – Notwendig oder Nutzlos?

Auf dem Blog von Julitschka hat sie kürzlich klargestellt, dass es nicht Ziel der Piraten-Partei sei, den Beruf des Heilpraktikers (und der Heilpraktikerin) zu verbieten. Ich bin zwar der Meinung, dass durch einen solchen Schritt niemandem etwas Essentielles fehlen würde, bin aber auch gegen ein Verbot. Ein wichtiges politisches Ziel wäre allerdings eine Dokumentationspflicht, die den Namen verdient. Ein anderes wäre die Evaluation, wie viele praktizierende (!) HeilpraktikerInnen es gibt, wie viele Kunden sie haben und welche Therapieformen sie anbieten. Über das alles lässt sich gerade eher spekulieren.

Wenn man die Kommentare unter dem Beitrag von Julitschka so liest, könnte man meinen, ohne Heilpraktiker werden hier bald alle sterben wie die Fliegen. Das bezweifle ich, vor allem, wenn ich mir anschaue, was an Heilpraktikerschulen so an Kursen angeboten wird.

Um das klarzustellen, (fast) JedeR kann morgen Heilpraktiker werden. Dafür braucht man einen Hauptschulabschluss, ein sauberes Führungszeugnis und eine Prüfung beim Gesundheitsamt. Diese Prüfung soll dafür sorgen, dass die zukünftigen Heilpraktiker keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellen. Das Niveau ist basal. Auf diese Prüfung kann (!) man sich in Heilpraktikerschulen vorbereiten lassen. Ich habe hier ein Programm liegen, da werden dafür 6 Monate eingeplant. Halbtags. Man ist also bei der Prüfung auf dem Ausbildungsstand wie ein Auszubildender im Pflegeberuf nach 3 Monaten.

Das ist aber nur ein kleiner Teil der Kurse, denn das Heilen lernen die Heilpraktiker außerhalb der Prüfungsvorbereitung. Das Wissen aus dieser können sie, wenn ich mir das so ansehe, ohnehin nicht gebrauchen:

Aus dem Heft einer Heilpraktikerschule:

  • Homoöpathie (klar)
  • Phytotherapie (es besteht die Chance auf einen Wirkstoff, hoffentlich in der richtigen Dosis, hoffentlich nicht gestreckt)
  • Impfberatung in der Naturheilkunde (Zitat aus dem Kursangebot: „Ihnen wird eine Grundhaltung zur Methode vermittelt, die nachdenklich macht und die Sichtweise auf die Funktion unseres Organismus erweitert.“ „Alternative Möglichkeiten der Krankheitsvorbeugung“ Noch Fragen?)
  • Kidd-Kiss-Konzept (Auch KISS-Syndrom, eine ausgedachte Krankheit)
  • Bachblüten (Gelten nicht mal mehr als Medikament)
  • Ausleitungsverfahren (Dazu gehört u.a. der gute, alte Aderlass)
  • Eigenbluttherapie
  • Irisdiagnose
  • Dunkelfeldmikroskopie
  • Wirbelsäulentherapie nach Dorn-Breuss
  • Fußreflexzonenmassage
  • Touch for Health
  • Brain Gym
  • Kinesiologie (in diversen Geschmacksrichtungen)
  • Meridian-Lehre
  • Akupunktur
  • Schüsslersalze
  • Hypnose-Ausbildung
  • Leibarbeit (?)
  • NLP in Therapie (NLP ist schon außerhalb von Therapie Unsinn…)
  • Energetische Psychotherapie

Weggelassen habe ich einige wenige Angebote zu Coaching und Beratung. Im Grunde ist das halbe Wiki von Psiram verlinkt. Schaut man sich die „Paracelsus-Heilpraktikerschulen“ an, wird das Bild nicht besser. Das Angebot hängt scheinbar auch von den „Fachleuten“ vor Ort ab, Bezug zur Realität ist aber eher die Ausnahme.

Wenn ich mir die Praxisschilder anschaue, habe ich auch nicht den Eindruck, als würde in den Schulen nur die Minderheit der HeilpraktikerInnen lernen. Selten sehe ich etwas was nicht vollkommener Unsinn ist, wenn man eine wissenschaftlich angehauchte Ausbildung hat (und das Wissen nutzt). Und auch Nichts, was jemand mit fundierter Ausbildung (ich meine nicht nur Ärzte, sondern zum Beispiel auch Ergo-, Physio- und psychologische Psychotherapeuten sowie LogopädInnen) nicht besser könnte.

Im Moment liegt die Beweislast für die Notwendigkeit des Heilpraktikerberufs wie er heute existiert auf Seiten der Heilpraktikerorganisationen.* Wir warten…

 

*Das Argumentum ad populum ist ein rhetorischer Trick und zählt damit nicht als Argument.

 

20 Gedanken zu “Heilpraktiker – Notwendig oder Nutzlos?

  1. Stimmt.
    Statt Verbot könnte man aber auch versuchen die ganzen sprituellen Heiler ohne Schein eine Heilpraktiker-Prüfung abzufordern, um anschließlich alle diese Möchtegerns über ein Lebenshilfegesetz zum Verbraucherschutz (wie z.B. Ursula Caberta fordert – nach franz. Vorbild) an die GANZ KURZE LEINE zu nehmen.
    Vielleicht war das Heilpraktikanten-Gesetz ja sogar ursprünglich so gemeint…

    1. Intention des Gesetzes war wahrscheinlich tatsächlich, den Übergang in die „Neue Deutsche Heilkunde“ einzuleiten. Die kurze Leine halte ich für sinnvoll, wenn Heilpraktiker dokumentieren müssen, was sie machen, wären sie deutlich einfacher zur Verantwortung zu ziehen…wobei das natürlich auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

      „Ich sage Ihnen X. Aber ich schreibe Y auf, weil ich X eigentlich nicht sagen darf.“

  2. @jemseneier: Das Heilpraktiker-Gesetz (entstanden unter dem kleinen Mann mit dem Schnurrbart) war ursprünglich mal mit Verfallsdatum ausgelegt. Wenn ich mich noch richtig entsinne, war die Idee, dass die Heilpraktiker durch „rächchtägge toitsche Ärrzte“ überflüssig gemacht werden. Steht auch bei Wikipedia, mit Quellenangaben.
    Tja, wahr wohl nix…Wieder eines der NS-Gesetze, die uns erhalten blieben.

    Und im Gegensatz zum Autor hier befürworte ich eine sofortige Streichung dieses „Berufsbildes“ ungemein. Gesetz ersatzlos gestrichen, damit Heilpraktiker nicht mehr erlaubt. Die ganze Pseudomedizin an die Kandare nehmen (Wirksamkeitsnachweis reicht), und denen die gleichen Restriktionen wie richtiger Medizin auferlegen. Dann bleibt nämlich nichts mehr davon übrig.

    1. Schwierig. Ein Verbot hätte ziemlich sicher Folgen und nicht an alle werden wir vorher denken. Es wäre möglich, dass sich noch mehr Menschen in die Geistheilerszene stürzen. Da kommt es auf die richtige Rhetorik an und man ist aus dem Schneider. Das kleine Maß an Kontrolle, was es jetzt noch gibt, wäre dann weg. Wenn jemand zum Heilpraktiker geht und sich von dem Tees und sonstwas verschreiben lässt, ist die Chance größer, dass er einem Arzt davon erzählt als wenn ihm im Wohnzimmer vom Medium Elke ein Pulver ausgependelt wurde und er einer Diät folgt, die Methatron gechannelt hat.
      Ich gebe zu, ich bin in dem Fall eher pragmatisch als prinzipienfest.

      Was den Wirksamkeitsnachweis angeht, wäre ich vorsichtig. Die Grenze zwischen Wirksam und nicht wirksam ist nicht immer so eindeutig feststellbar. Prinzipiell denken ich, sollte es Regeln geben, wo Therapiefreiheit endet und Quacksalberei beginnt, ich würde sie aber eher weit als eng formulieren. Konkreter kann ich es leider auch nicht sagen.

      Was ich an der Forderung, das Gesetz abzuschaffen (hört sich viel besser an als „Heilpraktiker verbieten“) positiv fände, wäre ein Debatte und breite Aufklärung.

  3. Vielleicht sollte man einfach mal klein anfangen und zunächst approbierten Ärzten das Anbieten von schamanistischen Praktiken untersagen. Hierfür wären eigentlich die Kammern zuständig, ich vermute aber, daß diese sich aus rein monetären Gründen dem Ansinnen vehement widersetzten würden. Verbietet man den Heilpratiker, werden mehr Ärzte diese Einnahmequelle für sich entdecken, denn mit dem Verbot verschwindet nicht einfach die Nachfrage,

  4. Petition 20239 bei Bundestag.de ging um die Dokumentationspflicht für Heilpraktiker. Das Thema und die gesamte Diskussion sind nicht mehr einsehbar. Gerüchteweise heißt es, dem Thema solle sich doch gefälligst das zuständige Bundesland kümmern – mit dieser Intransparenz kann man das ganze Petitionswesen in der Pfeife rauchen.

    Eine weitere Petition (10634, http://newsgroups.derkeiler.com/Archive/Misc/misc.health.alternative/2010-03/msg01265.html) zum Thema: „Kinder müssen erst zum Arzt, bevor sich ein Heilpraktiker kümmern darf“ wurde aus völlig unlogischen Gründen nicht angenommen, bspw. wurde eine Rechtssystematik bemüht, von der man offenbar erwartet, dass sie von allen Petenten aus dem FF beherrscht wird.

    Insofern ist es völlig realitätsfern, über ein Verbot zu diskutieren. Unsere Volksvertretung will nicht einmal Petitionen zur Änderung des Heilpraktikerwesens verarbeiten. „Julitschka“ ist wohl die einzige mit einer sowohl vernünftigen als auch veröffentlichten Meinung dazu. Der Politikerrest ist feige.

  5. Gruselig, wenn man bedenkt, dass man seine Gesundheit in die Hände eines Heilpraktikers gibt und dieser vielleicht im Zuge der Selbstverwirklichung einen Anti-Langeweile-lehrgang als Heilpraktiker gemacht hat, nur weil es schick war.

  6. also diese Diskussion finde ich sehr interessant. wenn man bedenkt, was sich Ärzte teilweise erlauben. warum Heilpraktiker verurteilen? ich denke mir jeder entscheidet für sich, was er wie behandeln lassen möchte. natürlich gibt es auch hier schwarze Schafe, aber wo gibt es die nicht?

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    1. Vielleicht haben Sie den Text missverstanden. Es geht nicht um „schwarze Schafe“, sondern „Therapien“, die unmöglich eine spezifische Wikrung haben können. Diese werden Angeboten und gelehrt. Das produziert schwarze Schafe mit System.

    2. @dlehner
      1.) Was ist das für eine Argumentation? Das Vorhandensein von schwarzen Schafen in der einen Gruppe kann doch unmöglich als Berechtigungsgrundlage für schwarze Schafe in einer anderen Gruppe dienen. Es muss doch darum gehen, schwarze Schafe generell auszusortieren!

      2.) Es geht aber nicht so sehr um schwarze Schafe im eigentlichen Sinne. Die überwiegende Zahl an Heilpraktikern, Homöopathen etc. will tatsächlich helfen und nicht betrügen, sind also keine schwarzen Schafe. Nichts desto trotz haben es charismatische Blender im Bereich des Heilpratikertums besonders einfach, da keinerlei wirkliche Qualifikation zur Berufsausübung erforderlich ist. Es gibt zwar ehrliche und unehrliche Heilpraktiker, aber beide arbeiten mit denselben unsinnigen Methoden. Dies ist der Unterschied zur Medizin, deren Grundlage auf wissenschaftlicher Erkenntnis beruht.

      3.) Das Problem ist aber, daß die sog. alternativen Heilmethoden nicht helfen — fehlende Empirie — und vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen auch gar nicht helfen können, da ihre postulierten Grundlagen schlicht Unsinn sind. Die Behandlungen erfolgen also weit jenseits von gesicherter Erkenntnis, gleichzeitig wird aber die Überzeugung gestreut, daß die Pseudotherapien wirksam sind. Der Patient ist somit nicht in der Lage eine freie Entscheidung auf Grund fundierter Erkenntnis zu treffen. Es handelt sich gerade nicht um eine echte, d.h. gleichwertige Alternative, daher ist auch der Begriff „Alternativmedizin“ in hohem Maße irreführend. Auch bei medizinischen Behandlungen kann ein Nichtmediziner eine Therapie nur selten wirklich beurteilen, umso wichtiger ist es daher, daß der Patient auf die Wirksamkeitsaussagen zu einer Therapie vertrauen kann. Genau diese Wirksamkeitsnachweise zu liefern ist die Aufgabe empirischer Forschung. Die alternativen „Heil“methoden versagen aber hierbei. Daher ist eine gesetzliche Bremse für die Irreführung von Patienten durchaus angebracht.

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