Homöopathen im Siegesrausch – Heuschnupfen

Die „Karl und Veronica Carstens Stiftung – Fördergemeinschaft: Natur und Medizin“ (CuVCS) hat als Stiftungsauftrag, „Naturheilkunde und Homöopathie in Wissenschaft und Forschung (zu) integrieren“. Die Stiftung verfolge dieses Ziel, indem sie Forschung fördere und eigene Projekte verwirkliche.

Fürsprecher homöopathischer Mittelchen können sich insofern auf die Stiftung verlassen, als sie Argumente liefert, die zumindest den Anschein wahren, wissenschaftliches Gewicht zu haben. So veröffentlichte die CuVCS im März 2006 die Stellungnahme (PDF) „Homöopathie – Zum Stand der klinischen Forschung„. Ein zentraler Absatz in dieser Stellungnahme, der oft als Beleg für die Wirksamkeit der Homöopathie angeführt wird, lautet:

„Bei welchen Erkrankungen der Wirksamkeitsnachweis gelang!
Nach dem derzeitigen Stand kann die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel unterstellt werden bei Heuschnupfen [12, 13], lebensbedrohlichem Durchfall bei Kindern [14], Weichteilrheuma [15-17], Darmlähmung nach Operation [18] und Atemwegsinfektionen [19].
Dagegen muss angenommen werden, dass bei der Behandlung von Muskelkater [20], Warzen [21-23] und Spannungskopfschmerzen oder Migräne [24] der Arzneimitteleffekt nicht über einen Placeboeffekt hinausgeht.
Für die allermeisten Erkrankungen ist der heutige Wissensstand aus wissenschaftlicher Sicht nicht ausreichend, um eine Beurteilung abgeben zu können.“

Da die Quellen angegeben sind, lohnt sich der genauerer Blick auf die zugrunde liegenden Arbeiten. In einer Mini-Serie werde ich mich den einzelnen Erkrankungen widmen.

Heuschnupfen:

Es handelt sich um eine Übersichtsarbeit [12] von vier Studien, die den Unterschied der Behandlung von Patienten mit allergischer Rhinitis (Heuschnupfen) zwischen Homöopathie und Placebo vergleichen. Das Ergebnis der Autoren lautet:

„Compared with placebo, homoeopathy provoked a clear, significant, and clinically relevant improvement in nasal inspiratory peak flow, similar to that found with topical steroids. However, the subjective improvement was less clear.“

Die Autoren halten größere Studien für gerechtfertigt, um den für die Homöopathie sprechenden Trend zu stützen. Es gibt allerdings einige Fragen:

Hatten alle Teilnehmer (51) wirklich eine allergische Rhinitis?

Insgesamt 20 der Teilnehmer wurden bereits vor der Studie erfolglos mit lokalen Steroiden („Cortison“) behandelt. Da diese Erkrankung gut auf eine solche Behandlung anspricht, ist es zweifelhaft, ob tatsächlich eine allergische Rhinitis vorlag. Es fallen weitere Ungereimtheiten bei der Charakteristik der Studienteilnehmer auf.

In einem Kommentar heißt es dazu:

„Topical steroids are effective in true allergic rhinitis, confirmed by the presence of many eosinophil cells in the mucosal smear or blown specimen. Absence of eosinophils goes with lack of response to topical steroids, so the diagnosis of allergic rhinitis in this group is in serious doubt. It would appear that these results were obtained in a miscellaneous group of volunteers, dominated by 36 females.“

Geben die Zahlen das Ergebnis wieder, welches die Autoren verkünden?

Einige Kommentatoren der Studie melden Zweifel an den statistischen Methoden des Papers an. Ein Kommentator bemerkt, der verwendete statistische Test sei erst ab einer Zahl von 120 Teilnehmern aussagekräftig. Da es sich um lediglich 51 Teilnehmer handelt, ist das Ergebnis nicht verwertbar. Mit den richtigen Methoden ergibt sich kein Vorteil mehr für die Homöopathie. Der Autor der Stellungnahme hat sicher Gründe dafür, die Analyse trotzdem als Nachweis für die Homöopathie heranzuziehen, immerhin ist er Diplomstatistiker.

Die letzte Frage lautet, ob es sich wirklich um Homöopathie gehandelt hat?

Nach einer „schulmedizinischen“ Testung der Teilnehmer wurde das jeweilige Allergen (ein positiver Allergietest heißt nicht, dass man eine allergische Rhinitis hat!) homöopathisch zu einer C30 Lösung potenziert. Diese Lösung oder ein Placebo wurde den Teilnehmern verabreicht. So funktioniert jedoch Homöopathie nicht. Dafür braucht man eine homöopathische Anamnese, in der „der ganze Mensch“ erfasst wird, „Körper, Geist und Seele“. Da wäre es zum Beispiel wichtig, ob der Heuschnupfen in dunklen Räumen besser oder schlechter wird. Für das sich aus der Anamnese ergebene Krankheitsbild wird ein Homöopathikum, welches das passende Arzneimittelbild aufweist, verschrieben. In dieser Studie wurde das Simile-Prinzip der Homöopathie, welches angeblich zentral sein soll, verletzt.

Für die zweite Arbeit [13] zeichnet derselbe Autor verantwortlich, der auch die Stellungnahme der CuVCS herausgegeben hat. Dabei handelt es sich um eine Meta-Analyse von 11 Studien,  7 von ihnen sind randomisierte, doppelt verblindete, placebokontrollierte Studien (RCT), 4 ohne Placebo-Kontrolle, also nicht verblindet. Alle Studien wurden von der Arbeitsgruppe des Autors durchgeführt. Ich stelle mir ganz ernsthaft die Frage, wie es möglich sein soll, so verschiedene Studien seriös zusammen auszuwerten.

Es ist nicht abwegig, davon auszugehen, dass in den nicht verblindeten und randomisierten Studien mehr Personen enthalten waren und die Ergebnisse positiver waren. Das bedeutet auch mehr Gewicht in einer Meta-Analyse für diese Studien. Die Autoren haben weniger Probleme mit der lustigen Mischung und kommen zu dem Schluss:

„A significant superiority of Galphimia glauca over placebo is demonstrated. Estimates of verum success rates are comparable with those of conventional antihistaminics, but no side effects occurred. As not all of the single studies were analyzed by intention to treat analysis the results may be biased.“

May be biased“ Yeah, may be!

In der Metaanalyse wurde das Homöopathikum Galphimia glauca untersucht. Jeder bekam es. In der hochindividuellen homöpathischen Behandlung wurde jeder Teilnehmer gleich behandelt. Dabei sagen ChiefexpertInnen in Sachen Homöopathie:

„Galphimia glauca – die Gemütslage
Das Leitsymptom für Galphimia glauca ist die Antriebsschwäche. Ein allgemeines Gefühl der Schwere, Benommenheit und Erschöpfung stehen im Vordergrund des homöopathischen Mittelbilds. Auch die Heuschnupfenzeit ist geprägt von mangelnder Kraft und einem benommenen Gefühl, ähnlich wie es auch für Gelsemium sempervirens typisch ist. Auch die schweren Augenlider sind typisch für Galphimia glauca und Gelsemium sempervirens.

Galphimia glauca oder Gelsemium sempervirens
Bis jetzt sind nur wenig Modalitäten über Galphimia glauca bekannt. Als gesichert gilt die Erkenntnis, dass sich die Heuschnupfen-Symptome durch Wetterwechsel und nachmittags verschlechtern. Die Verschlimmerungszeit hilft hier, das Mittel Galphimia glauca von Gelsemium sempervirens zu unterscheiden. Während Galphimia glauca Pateinten über Heiserkeit und Bindehautentzündung klagen, leiden Gelsemium-Patienten unter trockenem Husten und verschwommenen Sehen. Auch steht bei Gelsemium der Juckreiz der Schleimhäute nicht so im Vordergrund.“

Da online nur das Abstract vorhanden ist und dort nichts von einer Anamnese steht, gehe ich davon aus, diese hat der Einfachheit halber nicht stattgefunden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Leiden einer nicht unerheblichen Anzahl der Teilnehmer nicht dem Arzeimittelbild von Galphimia glauca entsprachen. Homöopathie ist eben so individuell, dass jeder machen kann, was er will – sie wirkt immer.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass zwei Arbeiten zu einem positiven Ergebnis für Homöopathie kommen. In der einen wurde keine Homöopathie an zu wenigen Personen, von denen einige gar nicht die untersuchte Erkrankung aufwiesen, getestet. In der anderen wurde Ergebnisse aus Studien mit völlig unterschiedlichem Design zusammengewürfelt und ein wichtiger Grundstein homöopathischer Behandlungen (sehr wahrscheinlich) verletzt. Wissenschaft kann so einfach sein.

Falls sich jemand fragt, wo die 6,5mio Euro bleiben, die Boiron für die Forschung ausgibt (im Gegensatz zu 108mio Euro für Marketing), der bekommt hier eine Antwort.

„Using original standard allergen material from the Pasteur Institute in Paris, a homoeopathic laboratory (Boiron, Lyons, France) prepared the drugs according to the French homoeopathic pharmacopoeia through 30 stages of 1 in 99 serial agitated dilutions to produce a 30c dilution, as reported previously.“

12. Taylor M A, Reilly D,Llewellyn-Jones R H,Mc Sharry C,Aitchison T C:Randomised controlled trials of homoeopathy versus placebo in perennial allergic rhinitis with overview of four trial series. BMJ
2000;321:471-476.

13. Lüdtke R, Wiesenauer M: A metaanalysis on the pollinosis treatment with homeopathic preparations of Galphimia glauca. Wien Med Wochenschr 1997;147:323-327.

Teil II (Fibromyalgie), Teil III (Durchfall) und Teil IV (Ileus und Grippe –