Homöopathie: Mythos und Legende (1)

Globuliglaube – Mit dem von ihr provozierten Twittersturm hat die Techniker Krankenkasse vor allem Ignoranz bewiesen

Zwei Artikel zum Totalausfall der TK beschreiben die Misere ziemlich gut: „Die unsichtbare Teekanne“ von Christian Stöcker und „Die Techniker Krankenkasse wollte den Beleg, dass Homöopathie nicht wirkt. Twitter-User gaben ihr die Antwort“ von Marcus Anhäuser.

2011 hat der Blogger Samuele Riva den nachfolgenden, von uns übersetzten Artikel zu Homöopathie begonnen und sich richtig Ärger mit der Globuli-Herstellerfirma Boiron eingehandelt (auch über den haben wir hier geschrieben). Daraus sind dann drei Teile geworden. Wir präsentieren sie noch einmal, auch um zu zeigen, wofür die TKK per Beiträge die Gemeinschaft ihrer Versicherten in Haftung nimmt. e2m, 20.3.2017

***

Artikel von Samuele (*)

Dieser Blog wurde von „einem großen Multi der Homöopathie“ mit Klage wegen übler Nachrede bedroht. Ich bin gezwungen, jeden Hinweis auf das Unternehmen zu löschen. Offensichtlich muss auch die Meinungsfreiheit für gewisse Unternehmen derart verdünnt werden, dass sie praktisch … nicht mehr existiert.

Bevor ich beginne (um den Beleidigungen der alternativen bio-grünen Fundamentalisten zu entgehen):

Mit Homöopathie sind nicht gemeint naturheilkundliche Methoden, die Pflanzenheilkunde (therapeutische Praktiken im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Pflanzen) oder die Akupunktur.

Auch wenn sie als alternative Medizin bezeichnet werden, haben sie doch eine tausendjährige Tradition, und die Wissenschaft erkennt ihnen oft, nach vertieften Untersuchungen, aktive Prinzipien und heilsame Wirkungen zu.
Ein Beispiel? Auch wenn die Akupunktur sicher nicht auf „energetische Flüsse“ wirkt, wie es von Unterstützern und chinesischer Tradition behauptet wird, so spricht mittlerweile eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Nadel die Produktion von Adenosin anregt, eine Substanz die als Schmerzmittel wirkt und daher reale, wohltuende Wirkung entfaltet.

Homöopathie ist etwas anderes.

Unter Homöopathie versammeln sich jene „therapeutischen“ Methoden, die dem Simile-Prinzip eines Pharmazeutikums folgen, die also behaupten, dass zur Heilung eine Person eine stark verdünnte Dosis der Substanz einnehmen müsse, die die Krankheit hervorgerufen hat. Dies bedeutet in der Praxis: Um einen Menschen zu heilen muss die gleiche Methode angewandt werden, die bei einem gesunden Menschen eine Pathologie hervorrufen würde, es müssen Substanzen verwendet werden, „die der Krankheit ähnlich sind“.

Das und vieles andere ist die Grundlage einer höchst gefährlichen Pseudowissenschaft, die sich derzeit im „rationalen“ Okzident ausbreitet. Auch wenn sie wirkungslos ist, bleibt die Homöopathie höchst gefährlich.

(Abbildung des Produkts wurde entfernt)

Wollt Ihr mehr darüber wissen?
Ich habe versucht, einen Artikel zu schreiben, der möglichst einfach erklärt, um was es sich handelt, warum es nicht funktionieren kann und welche Gefahren es mit sich bringt, wenn eine bestimmte Art von „Medizin“ in unseren Apotheken angeboten wird.

Die Quellen dazu sind zahlreich und ich werde sie am Ende des (nächsten) Artikels aufführen.
(Wegen der Länge des Posts habe ich ihn in zwei Teile geteilt, der zweite wird in ein paar Tagen eingestellt)

Hahnemann und der Ursprung der Homöopathie

Die Homöopathie nimmt zu einer Zeit (Beginn 1800) ihren Anfang, da Aderlass, Klistiere und Blutegel herkömmliche Methoden waren, Patienten zu behandeln. Pasteur und die Chemie waren noch weit entfernt, und wir ahnen, wie in diesem Hinterland der Ignoranz, des Mangels an wissenschaftlichen Theorien und sicheren Heilmethoden für die meisten Krankheiten in Europa die Homöopathie mit Leichtigkeit Fuß fassen konnte.

Zu der Zeit gab Samuel Hahnemann, enttäuscht von der Erfolglosigkeit der offiziellen Medizin und ohne Kenntnisse in der Chemie, die erst 50 Jahre später ihren Auftritt haben würde, von Deutschland aus den Startschuss für die kontroverse homöopathische Methode.

Die typische Vorgehensweise bestand darin, einen Teil einer Anfangsmischung (einem Mix aus Wasser-Alkohol und der „heilenden“ Substanz) in 100 Teile Wasser einzubringen (also die Herstellung eines Verhältnisses von 1 zu 100), das Ganze zwei Mal zu schütteln, um so eine „erste Centesimal-Verdünnung“ (C1) zu erhalten (eine Verdünnung 1 bis 10 dagegen wird Dezimal genannt: D1). Von dieser Verdünnung (mit nur einem Teil der Anfangsmischung zu hundert) wird wiederum ein Teil genommen -um es zu vereinfachen, sagen wir: ein Tropfen- und dieser mit weiteren 99 Tropfen Wasser verdünnt (das Ganze dann geschüttelt), um eine zweite Centesimale zu erhalten (C2); und so weiter bis zur zehnten, zwanzigsten, dreißigsten Centesimale (C30), eine Verdünnung deren Gebrauch auch heute noch weit verbreitet ist.
Später wurde der Schüttelvorgang am (vertikal zu haltenden) Behältnis, wurde später auf 100 „Succussionen“ standardisiert (hochtrabendes Wort um zu sagen, dass das Fläschchen bewegt wird, um den Inhalt zu mischen).

Im Verlauf der Jahrhunderte hat die Legende viele davon überzeugt, dass die ganz banalen „Succussionen“ in Wirklichkeit „Dynamisierungen“ des Medikaments darstellen, eine „Potenzierung“ des Gemisches (sic!) mit der magischen Eigenschaft, dem Wasser die homöopathisch heilende Wirkung aufzwingen zu können. Ein wenig wie bei Religionen werden also aus einfachen Gewohnheiten sehr bald Dogmen und absolute Wahrheiten, die von ihren Jüngern zu befolgen sind; in der Tat ist nach 200 Jahren in Büchern detailliert nachzulesen, wie, wie lange und wie oft diese gebenedeiten Fläschchen zu schütteln sind, um eine wirklich wirkungsvolle Lösung zu erhalten.

Natürlich sind die Tatsachen ganz andere, und sie wurden vor 150 Jahren von einem Italiener entdeckt.

Die Chemie tritt auf den Plan: Avogadro

Während die Homöopathie während des gesamten 19. Jahrhunderts langsam an Bedeutung gewinnt, beginnt die Wissenschaftsgemeinde um 1869 die Theorien von Avogadro zu akzeptieren … Schade um die Verspätung, weil wir gerade in diesen Theorien (heute Grundlage der Wissenschaft) die Erklärung dafür finden, warum die Homöopathie absurd ist: Ein Mol einer jeden Substanz enthält eine Anzahl N an Molekülen, was 6,022 . 10²³ entspricht (eben die berühmte Avogadro-Konstante).

Ist erst einmal die Anzahl der Moleküle je Menge an Materie bekannt, ist schnell die Anzahl der verbliebenen Moleküle einer aktiven Substanz berechnet, die in einer Abfolge von homöopathischen Verdünnungen 1:100 verblieben sind … also absolut keine!

Schauen wir uns also ein auch für Laien verständliches Beispiel an:

Nehmen wir eine Substanz an, deren molekulares Gewicht 100 beträgt (z.B. CaCO3).
Ein Gramm dieser Substanz in 100 ml Lösung (C1) würde 6,022 . 1021 Moleküle CaCO3 enthalten. Eine Verdünnung C2 wird demnach 0,01 Gramm und somit 6,022  . 1019 enthalten … erreichen wir eine Verdünnung von C11, wird die Lösung 0, 00000000000000000001 Gramm an CaCO3 enthalten und kaum mehr als 60 Moleküle.  Die darauf folgende Centesimale (C12) würde also 10-22 Gramm und 0,6022 Moleküle enthalten.

In den so hergestellten 100ml wird also kein einziges Molekül enthalten sein!

Würde bis zu C30 weiter gemacht (von Homöopathen als besonders hochwertig erachtet), würde Wasser mit Wasser verdünnt (tolle Zeitverschwendung!).

Zusammenfassend: Bei erhöhten Potenzen der Verdünnung (gerade ab der meist verwendeten C12) beweisen die Gesetze der Chemie, dass das Endprodukt derart verdünnt ist, dass von der Ursprungssubstanz nicht einmal mehr ein Molekül übrig bleibt.

Dumm für die Homöopathie, in die von 1860 an kein Mensch mit Hirn mehr hätte glauben können … nicht wahr?
Offensichtlich doch …

Nachdem sie angesichts der Inkonsistenz ihrer Mittelchen Gefahr liefen, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden, haben Homöopathen versucht, sich selbst dadurch zu retten (was ihnen leider gelungen ist!), dass sie für den Erfolg ihrer Medikamente  das „Gedächtnis des Wassers“ erfanden, das entsprechend dynamisiert in der Lage sei, sich der Moleküle des aktiven Prinzips zu erinnern, das in der Lösung nicht mehr vorhanden ist; praktisch wird das Wasser eine Art Gottheit mit eigenem Gedächtnis und Selbstbewusstsein.

Die Diskussion dazu (und zu anderen Punkten) verschiebe ich auf den nächsten Artikel …

In der Zwischenzeit hier eine Zusammenfassung, die die Begründung des Simile-Prinzips und der fortschreitenden Verdünnung veranschaulicht, beides Fundamente der Homöopathie (by nonciclopedia):

Ihr findet keine Freundin, weil euer Atem nach Knoblauch riecht?
Verwendet die folgende homöopathische Methode: Berührt mit der Zungenspitze ein Stück Alupapier, das mit einem Stück Zellophan Berührung hatte, das mit einen Mann in Kontakt gekommen ist, der eine Knoblauchzehe angefasst hat und prompt wird euer Atem wieder duften und ihr endlich eine Frau finden!

[gehe zum zweiten Artikel]
[gehe zum dritten Artikel]

(*) Autor des Artikels ist Samuele Riva, der ihn am 13. Juli d.J. unter dem Originaltitel „Omeopatia: mito e leggenda“ auf seinem Blog „Blog(0)“ veröffentlicht hat. Samuele hat uns gestattet, den Text hierher zu übertragen, Übersetzung von ed2murrow. Hervorhebungen folgen dem Original, auf die Einbindung der Originalgrafiken wurde verzichtet.

 

Beitragsbild: „Various homeopathic remedies“
Autor: Wikidudeman
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Homeopathic332.JPG
Lizenz: gemeinfrei

17 Gedanken zu “Homöopathie: Mythos und Legende (1)

  1. Ich finde das Lustigste an der Homöopathie ist immer noch, dass ihre Anhänger, dass ihre Anhänger behaupten, sie sei ein ganzheitlicher Ansatz, obwohl es doch laut Definition des Simile-Prinzips nur ein Herumdoktern an Symptomen ist, wenngleich auch ein wirkungsloses.

    1. DAS Prinzip der Homöopathie hat man in wenigen Minuten verstanden und mit etwas Übung verinnerlicht. Praktizierende scheinen dann der Meinung zu sein, die Zusammenhänge wären überall so einfach. Das kann man dann sehen, wenn sie über Methoden der „Schulmedizin“ schreiben. Was soll’s, lachen ist gesund.

  2. …wobei die Akupunktur ein ähnlicher Humbug ist.
    Oder darf man das auch nicht sagen?

  3. Auf Youtube gibt’s wunderbare Mitschnitte von Demonstrationen zu Homöopathie, die er auf Vorträgen wunderbar und amüsant anzusehen, nun ja: machte, von JAMES RANDI. Besonders das jeweilige SCHÜTTELN des Wassers… wunderbar!

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.