Kopf einer Statue

Herr Steiner, die informierte Ministerin und die Masern

[In einem meiner letzten Beiträge schnitt ich die unsinnige Einstellung von Barbara Steffens zu Masernimpfungen an, geäußert 2007 im Landtag. Ich fragte, mit welchen Ärzten sie sich wohl unterhalten haben mochte, um diese mit solcher Inbrunst im Landtag zu verbreiten. Hier der Versuch einer Antwort.]

Während meiner Ausbildung zum Kinderkrankenpfleger tauschten sich meine Mitschülerinnen auch über Kinderkrankheiten aus. Dabei wurde gerne davon geschwärmt, welche Entwicklungsschritte die eigenen Kinder nach einer durchstandenen fieberhaften Erkrankung, ganz besonders nach den Masern, gemacht hätten. Ich nickte. Mir war klar, an Krankheiten wächst man, an Kinderkrankheiten ganz besonders. Die sind gut fürs Immunsystem und die Entwicklung als Mensch. So zumindest hatte es sich diese Annahmen in meinem Hirn, als Fakten getarnt, festgesetzt. Resultierend aus Gesprächen in der Familie und bei Freunden. Wie so oft gilt auch hier:

Klingt irgendwie gut, ist aber falsch.

Mehr als falsch, sage ich heute. Aber erst einmal schaue ich nach, woher die Idee kommt, Masern durchzumachen sei nicht nur nicht schädlich, sondern sogar wichtig. Und nicht zum ersten und wohl nicht zum letzten Mal bei solchen Fragen lande ich bei einem der beliebtesten Dampfplauderer der Esoterikszene: Rudolf Steiner.

Masern sind, seiner Schauung nach, Wirkung eines karmischen Erlebnisses, also aus einem früheren Leben herrührend. In dem habe man sich zuviel mit sich selbst beschäftigt, anstatt sich gerne um die äußere Welt zu kümmern, die Folgen dieses Makels beseitigen die Masern. Außerdem seien Masern wichtig um sich vom Ererbten der Eltern zu lösen. Masern sorgen für den Ab- und Neuaufbau leiblicher Strukturen. Die Masern dienen, folgen wir dem rhetorischen Scheinriesen Steiner, der Persönlichkeitsentwicklung, indem sie helfen, sich vom karmischen Ballast zu lösen. Diese Persönlichkeitsentwicklung ist auch ohne Masern möglich und sie, man mag es kaum glauben, schützt vor Masern wird sie vollzogen, bevor man daran erkrankt. Solche Herleitungen sind die feuchten Träume der Mind-Body-Mediziner.

In Deutschland gibt es eine kleine Gruppe von ÄrztInnen, die der Meinung sind, die Äußerungen ihres Gurus hätten nicht nur zu seiner Zeit etwas sinnvolles zum medizinischen Wissen beigetragen, sondern halten sie weiterhin für aktuell. An der Leitlinie der „Gemeinschaft anthroposophischer Ärzte Deutschlands“ (GAÄD) kann man hervorragend sehen, wie leicht es ist, von einer Annahme rückwärts argumentierend, seinen Glauben zu bestätigen.

So ist die Behauptung, Masernimpfungen verursachten Allergien und Autoimmunerkrankungen nicht zu halten, sie ist falsch. Das hindert die AutorInnen nicht daran, sich Anekdoten und Fallsammlungen herauszupicken um Steiners Gerede zu ‚belegen‘. Impfen ist sicher, sicherer zumindest, als eine Wildinfektion mit dem Erreger. Ein kurzer Ausflug in die Immunologie macht deutlich, warum das ein erwartbares Ergebnis ist.

Autoimmunerkrankungen werden hervorgerufen durch Antikörper, die sich gegen körpereigene Strukturen (meist Proteine, z.B. Bestandteile der Zellwand). Antikörper werden nicht geordnet hergestellt, so nach dem Motto: ‚Hier ist eine Virus, dafür brauchen wir einen Antikörper.‘ Antikörper werden chaotisch hergestellt, in Massen. Bevor sie in die Blutbahn entlassen werden, wird (über Mechanismen, die den Rahmen dieses Textes sprengen würden) überprüft ob sie gegen körpereigene Bestandteile gerichtet sind. Wenn das der Fall ist, werden die Zellen, die sie herstellen zum Absterben gebracht. Alle anderen wandern ins Blut. Dort planschen sie herum, bis sie zufällig auf ein Virus treffen, an das sie binden können. Wenn das passiert, wird die Zelle, welche die Antikörper herstellt (vor der Aktivierung hängen die Antikörper an der Zelle, die sie herstellen) aktiviert und produziert große Mengen des Antikörpers, der nun frei im Blut herumschwimmt. Gleichzeitig teilt sich die Zelle um mehr Antikörper herstellen zu können.

Auf einem Virus sind viel mehr Stellen an die verschiedene Antikörper „andocken“ können, als bei einem Impfstoff. Im Idealfall ist im Impfstoff ein Epitop (Stelle zum andocken) welches einem Epitop im Virus entspricht (die ist meist sehr wichtig für das Virus, um zu funktionieren). Gegen dieses eine (oder ein paar wenige) Epitope bilden sich nach einer Impfung Antikörper und blockieren das echte Virus, wenn es in den Körper kommt. Bei einer Wildinfektion bilden sich Antikörper gegen alle möglichen Epitope auf dem Virus. Einige können Proteinen ähnlich sein, die es im Körper gibt (der am Anfang beschrieben Prozess der Aussortierung ist sehr gut aber nicht perfekt). In dem Fall kann eine Autoimmunerkrankung entstehen. Auch nach einer Impfung ist das möglich, passiert jedoch deutlich seltener als nach der Wildinfektion.

Um einen hübsch martialischen Vergleich zu wählen, ist eine Impfung wie ein Scharfschütze, eine Wildinfektion dagegen wie eine Gruppe betrunkener Söldner mit Kalaschnikows. In beiden Fällen wird der Gegner beseitigt im letzteren muss man allerdings hinterher renovieren.

Es gibt also deutliche Hinweise, dass Impfungen sicherer sind als Wildinfektionen. Es gibt Erklärungen, warum sie sicherer sind als Wildinfektionen. Hinweise für mehr immunologisch bedingte Erkrankungen bei gegen Masern geimpfte Kinder fehlen. Es gibt keine, über Anekdoten und Steiner-Storys hinausgehenden, Belege, dass ein Kind von einer Masernerkrankung profitiert. Es gibt jedoch gut belegte Zahlen zu den Folgen von Masern, die GAÄD nennt diese auch. Fakt ist, Masern haben Folgen: Bleibende Lähmungen behalten ca. 1:2000-3000 Infizierten, das Risiko zu sterben liegt zwischen 1:10 000 und 1:100 000. Diese Lähmungen und Todesfälle (von Krampfanfällen, Lungenentzündungen und Schmerzen einmal abgesehen) sind anthroposophische ÄrztInnen bereit in Kauf zu nehmen, aufgrund der Wahnideen eines 1925 verstorbenen Herren, der an Kobolde glaubte.

Was haben Menschen eigentlich gemacht, um ihre Persönlichkeit karmisch zu reinigen (oder wie auch immer), bevor es Masern gab? Aktuelle Forschung deutet darauf hin, dass das Masernvirus uns als Art erst seit 10000-12000 Jahren begleitet. Für Anthroposophen also nach dem atlantidischen Zeitalter. Es stammt vom Rinderpestvirus ab und hat den Artsprung wahrscheinlich in der Jungsteinzeit, als „wir“ sesshaft wurden und auf engem Raum mit unserem Nutzvieh zusammenlebten, geschafft (eine Konstellation dass uns heute noch neue Versionen des Influenzavirus verschafft).

Und warum ist die Sterblichkeit an Masern in Entwicklungsländern so viel höher, in einigen Gebieten 25%? Die offensichtliche Antwort wäre der ohnehin schlechte Gesundheitszustand der Bevölkerung vor Ort. Aus anthroposophischer Perspektive könnte man auch einfach annehmen, die Menschen in solchen Ländern haben, als Angehörige einer kindlichen Rasse, nicht die geistigen Möglichkeiten, fsich mit karmischen Ereignissen auseinanderzusetzen und das Ganze auch zu überleben. Ganz im Gegensatz zur erwachsenen weißen Rasse, die zukünftige, (…) am Geiste schaffende Rasse.

Mir scheint, Frau Steffens hat sich im Vorfeld ihrer Landtagsrede 2007 mit anthroposophischen ÄrztInnen unterhalten und deren (und damit Steiners) Aussagen für bare Münze genommen. Man kann nur hoffen, sie wusste nichts von dem infantilen rassistischen Sumpf der diesen Ideen als Nährboden dient. Ich wusste nichts davon, als ich damals fröhlich nickte und bereit war, das Leben einiger Kinder für die Entwicklung anderer zu riskieren. Doch zum Glück hatte ich Masern und kümmere mich gern um die äußere Welt und kann meine Einstellungen mit der Realität abgleichen. Ein Glück das nicht jeder/m vergönnt ist, mit oder ohne Impfung.

18 Gedanken zu “Herr Steiner, die informierte Ministerin und die Masern

  1. Masern sind ja immerhin noch eine vergleichsweise harmlose Krankheit, die die meisten ohne bleibende Schäden überstehen. Es gibt auch Leute, die glauben, Tetanus sei ausgedacht und man solle auf keinen Fall dagegen impfen. Die Krankheit, die als Wundstarrkrampf bekannt sei, breche aus, wenn irgendwelche Lebenssäfte aus dem Lot geraten sind. Bevor flächendeckend geimpft wurde, sei Tetanus nur deshalb häufiger gewesen, weil damals die Ernährung noch nicht so gut gewesen sei und die Leute generell anfälliger gewesen seien. In dem Fass „Impfgegnerschaft“ stecken Abgründe.

  2. Ich habe Rudolf Steiner über Masern recherchiert:

    „Drei Gründe für die Waldorfschule

    (…) Rudolf Steiner begründet, warum Masern eine Krankheit sind, die man durchmachen muss:

    „Nehmen wir an, im späteren Leben bekommt eine Persönlichkeit Masern, und wir suchen nach dem karmischen Zusammenhang dieses Falles. Wir finden dabei, daß dieser Masernfall aufgetreten ist als eine karmische Wirkung von solchen Vorgängen in einem vorangegangenen Leben, die wir etwa so beschreiben können: Die betreffende Individualität war in einem vorhergehenden Leben eine solche, die sich nicht gern um die äußere Welt bekümmert hat, sich nicht gerade im grob egoistischen Sinne, aber doch viel mit sich selber beschäftigt hat; eine Persönlichkeit also, die viel nachgeforscht hat, nachgedacht hat, aber nicht an den Tatsachen der äußeren Welt, sondern die im inneren Seelenleben geblieben ist. Sie finden auch heute sehr viele Menschen, welche glauben, daß sie durch In-sich-abgeschlossen-Sein, durch Grübeln und so weiter zur Lösung von Welträtseln kommen können. Bei der Persönlichkeit, die ich meine, handelte es sich darum, daß sie mit dem Leben so fertigzuwerden suchte, daß sie innerlich nachgrübelte, wie man sich in diesem oder jenem Falle verhalten soll. Die Schwäche der Seele, welche sich daraus ergeben hat im Verlaufe des Lebens, führte dazu, daß im Leben zwischen Tod und neuer Geburt Kräfte erzeugt wurden, welche den Organismus in verhältnismäßig später Lebenszeit noch einem Masernanfall aussetzten.

    Jetzt können wir uns fragen: Wir haben auf der einen Seite den Masernanfall, der die physisch-karmische Wirkung ist eines früheren Lebens. Wie ist es denn aber nun mit dem Seelenzustand? Denn das frühere Leben gibt ja als karmische Wirkung auch einen gewissen Seelenzustand. Dieser Seelenzustand stellt sich so dar, daß die betreffende Persönlichkeit in dem Leben, wo sie auch den Masernanfall hatte, immer wieder und wieder Selbsttäuschungen unterworfen war. Da haben Sie also die Selbsttäuschungen anzusehen als die seelisch-karmische Folge dieses früheren Lebens und den Eintritt der Masern als die physischkarmische Folge jenes Lebens.

    Nehmen wir nun an, dieser Persönlichkeit wäre es gelungen, bevor der Masernfall eintrat, etwas zu tun, um sich gründlich zu bessern, das heißt, um eine solche Stärke der Seele sich anzueignen, daß sie nicht mehr ausgesetzt wäre allen möglichen Selbsttäuschungen. Dann würde diese dadurch heranerzogene Seelenstärke dazu geführt haben, daß die Masernerkrankung hätte unterbleiben können, weil das, was im Organismus schon hervorgerufen war bei der Bildung dieser Organisation, seinen Ausgleich gefunden hätte durch die stärkeren Seelenkräfte, welche durch die Selbsterziehung herangezogen worden wären. Ich kann natürlich nicht ein halbes Jahr über diese Sachen reden; aber wenn Sie weit im Leben herumschauen und alle Einzelheiten, welche sich als Erfahrungen darbieten, von diesem hier gegebenen Ausgangspunkt aus betrachten würden, so würden Sie immer finden, daß das äußere Wissen voll bestätigen würde – bis in alle Einzelheiten -, was hier gesagt worden ist. Und was ich jetzt gesagt habe über eine Masernerkrankung, das kann zu Gesichtspunkten führen, die erklären, warum Masern gerade zu den gebräuchlichen Kinderkrankheiten gehören. Denn die Eigenschaften, die genannt worden sind, kommen in sehr vielen Leben vor. Insbesondere in gewissen Zeitperioden haben sie in vielen Leben grassiert. Und wenn dann eine solche Persönlichkeit ins Dasein tritt, wird sie so schnell wie möglich Korrektur üben wollen auf diesem Gebiet und in der Zeit zwischen der Geburt und dem gewöhnlichen Auftreten der Kinderkrankheiten, um organische Selbsterziehung zu üben, die Masern durchmachen; denn von einer seelischen Erziehung kann ja in der Regel in diesem Alter nicht die Rede sein.

    Daraus sehen Sie, daß wir wirklich davon sprechen können, daß die Krankheit in gewisser Beziehung wieder zurückverwandelt werden kann in einen geistigen Prozeß. Und das ist das ungeheuer Bedeutsame, daß wenn dieser Prozeß in die Seele als Lebensmaxime aufgenommen wird, er eine Anschauung erzeugt, die gesundend auf die Seele wirkt. In unserer Zeit braucht man sich nicht besonders zu wundern, daß man so wenig auf die Seelen wirken kann. Und wer die Zeit heute vom geisteswissenschaftlichen Standpunkt aus durchschaut, der wird es begreifen, daß so viele Mediziner, so viele Ärzte Materialisten werden (…)“

    Rudolf Steiner, „Die Offenbarungen des Karma“, GA 120, FÜNFTER VORTRAG, Hamburg, 20. Mai 1910, S. 102ff

    (…)“

    zum Artikel: http://www.ruhrbarone.de/drei-grunde-fur-die-waldorfschule/

  3. … und hier im Zusammenhang meines Artikels, ich habe u.a. das „Robert Koch Institut“ (RKI), „die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention“ kontaktiert:

    „Drei Gründe für die Waldorfschule

    [von Andreas Lichte, 19.05.2010]

    (…)

    „Man bleibt gern unter sich“ – in der Waldorfschule teilt man die „alternativen“, esoterischen Überzeugungen der Eltern.

    Wie ermittelt man, ob eine bestimmte „Soziale Gruppe“ die selben Überzeugungen teilt? Mit umfangreichen Befragungen? Für die Waldorfschule – bzw. Anthroposophen – könnten das beispielsweise solche Fragen sein:

    – „Glauben Sie an Karma?“

    – „Glauben Sie, dass Ihr Kind, als es noch ein Geistiges Wesen war, Sie für seine Inkarnation als Eltern ausgewählt hat, weil Sie ihm die besten Voraussetzungen für die Erfüllung seines Karmas bieten?“

    Wer antwortet darauf wahrheitsgemäss? Dieses Verfahren scheint doch sehr fehleranfällig. Gibt es vielleicht irgendein objektives, gemeinsames Kennzeichen, das man wissenschaftlich, statistisch, erfassen könnte? Ja:

    Im März 2008 reist das Schulorchester einer Schweizer Rudolf-Steiner-Schule, der „Freien Oberstufenschule Baselland“ in Muttenz, zu einem Konzert in die Salzburger Rudolf Steiner Schule. Der Gastauftritt findet internationale Beachtung: Nicht nur in Salzburg, nein, in ganz Österreich, in Deutschland und Norwegen – überall brechen die Masern aus.

    Im April 2010 lese ich von Masern in Mettmann, NRW. Als ich der Pressestelle des Kreisgesundheitsamtes sage, dass ich mich für den Masernausbruch interessiere, fragt man: „Wieso? Die Masern sind doch schon wieder vorbei.“ Ich sage: „Das mag sich vielleicht merkwürdig anhören, aber ich möchte wissen, ob eine Waldorfschule betroffen war.“ Am anderen Ende der Leitung macht es „aaah“, man weiss sofort Bescheid und sagt: „Dann ist es wohl am besten, wenn Sie Frau Kohnert zurückruft.“ Das tut Regina Kohnert, stellvertretende Leiterin des Kreisgesundheitsamtes Mettmann, und bestätigt mir, dass alle Masernfälle in Waldorfschulen aufgetreten sind. Die Kinder hätten Kontakt zur Waldorfschule in Essen gehabt, auch dort gibt es die Masern …

    „Masern werden von Waldorfschule zu Waldorfschule übertragen …“, aber da sage ich Frau Kohnert wirklich nichts neues. J E D E R der mit Impfprävention zu tun hat, weiss das.

    So warnt Dr. Axel Iseke vom Gesundheitsamt Münster Ende April: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass es über die Waldorfschule auch in Münster zu einem größeren Masernausbruch kommt.“ Denn in Essen sind die Masern ja schon, und Zitat Presseerklärung Münster: „Familien aus dem Umfeld von Waldorfschulen seien häufig überregional vernetzt.“

    Doch wer weiss genaueres über die Infektionskette Waldorfschule? Doch sicher das „Robert Koch Institut“ (RKI), „die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention“. Dort müssen seit der Einführung der Masern-Meldepflicht im Jahr 2001 alle Fälle gemeldet werden. Ich spreche mit der Epidemiologin Dr. Anette Siedler. Doch sie überrascht mich, meint, dass das RKI nicht den Verursacher der Krankheit ermittetele, der weltanschauliche Hintergrund einer Schule nicht berücksichtigt werde. Auch die entscheidende Information kann Dr. Siedler nicht liefern, sie sagt: „In Deutschland gibt es keine verlässlichen Zahlen zur Impfrate in Waldorfschulen bzw. öffentlichen Schulen.“

    In der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ werden Zahlen genannt, sie sollen hier als Orientierung dienen, auch wenn sie sich auf Schweden beziehen:

    Geimpft waren gegen MMR (Masern-, Mumps-, Röteln- Kombinationsimpfung):

    – in öffentlichen Schulen: 93 %

    – in Waldorfschulen: 18 %

    61 % der Waldorfschüler hatten eine Masernerkrankung durchgemacht.

    Warum untergraben Waldorfschulen das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Masern bis 2010 in Europa auszurotten? Und warum werden Menschen dem Risiko einer Infektion mit einer schweren Krankheit ausgesetzt?

    Masern sind nämlich keinesfalls eine „harmlose Kinderkrankheit“:

    – bei etwa 20–30 % der Masern-Fälle kommt es zu Komplikationen. Durchfall, Mittelohrentzündungen und Lungenentzündungen sind dabei am häufigsten, oft ist eine stationäre Aufnahme erforderlich.

    – Die Meningoenzephalitis ist selten (bei 0,1 % der Erkrankungen), verläuft jedoch in 15–20 % der Fälle tödlich. In weiteren 20–40 % bleiben dauerhafte Schädigungen des Gehirns zurück.

    – Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) ist eine sehr seltene Spätkomplikation nach Maserninfektion, verläuft nach langem Siechtum aber immer tödlich.

    In Waldorfschulen treffen sich 2 Gruppen von Impfverweigerern, Zitat Dr. Georg Vogt, Gesundheitsamt Duisburg: die „ideologisch verhärteten Anthroposophen“ und die „oberkritischen Gebildeten“.

    Anthroposophen – natürlich auch der anthroposophische Schularzt der Waldorfschulen – folgen Rudolf Steiner. Steiner begründet, warum die Masern eine Krankheit sind, die man durchmachen muss, so:

    Ein Mensch hat in seinem letzten Leben zu viel „gegrübelt“, was zu einer „Schwäche der Seele“ führt. Die Masern sind die „physisch-karmische Wirkung“ dieses Fehlverhaltens im letzten Leben. Die Masern macht man durch, „um organische Selbsterziehung zu üben“, „die Krankheit kann in einen geistigen Prozeß zurückverwandelt werden“ …

    Wer meint, dies sei aber eine völlig idiotische Zusammenfassung, der überzeuge sich selbst: Im „Anhang“ gibt es Steiners Karma-Masern-Quacksalberei im Original zu bestaunen.

    Und was ist mit der zweiten Gruppe der Waldorf-Impfverweigerer, den „oberkritischen Gebildeten“, für die Entscheidungen von Medizinern und Gesundheitsbehörden nicht gelten?

    Im Januar 2010 durften rund 260 Kinder der Rudolf Steiner Schule Berlin zu Hause bleiben. Als Quarantäne-Massnahme wurde der Schulbesuch vom Gesundheitsamt Steglitz-Zehlendorf untersagt, nachdem in der Waldorfschule Masern aufgetreten waren. Ein Vater, von Beruf Anwalt, klagte gegen den Ausschluß der Schüler beim Verwaltungsgericht und verlor:

    „Das Gericht gab der Behörde Recht. Die Kinder könnten bei einer Erkrankung Mitschüler anstecken, bevor sie selbst sichtbare Symptome zeigen, hieß es zur Begründung. Ihr Interesse am Schulbesuch müsse angesichts der Ansteckungsgefahr der mitunter sogar tödlich verlaufenden Krankheit zurücktreten.“

    Vorher hatte der Vater der zuständigen Berliner Stadträtin in einem Brief geschreiben:

    „Allein die Tatsache, dass Masern auch tödlich verlaufen können, gibt der Gesundheitsverwaltung meines Erachtens nicht das Recht, derartig einschneidende Maßnahmen zu ergreifen.“

    (…)“

    zum vollständigen Artikel: http://www.ruhrbarone.de/drei-grunde-fur-die-waldorfschule/

    1. Danke für die Ergänzung, Herr Lichte. Es war auch einer Ihrer Texte, die mich auf das Thema stießen…also so, dass ich darüber schreiben wollte :-)

  4. Dieser brillanten Darstellung ist sachlich kaum etwas hinzuzufügen – sehr kenntnisreich und auch sehr klar und witzig dargestellt, sehr zutreffend der Vergleich mit den betrunkenen Söldnern mit Kalaschnikows.

    Ich möchte dazu aus meiner Jugend in der 70ern erzählen: Man war fortschrittlich, wenn nicht sogar links und später dann auch öko, noch nicht so schlimm eso. Trotzdem waren wir alle gegen Schulnoten und für Waldorfschulen, und so erschien ohne weitere Informationen deren Erfinder Steiner in einem günstigen Licht.
    Mir ging ein anderes Licht auf, als ich, mit größtem Erstaunen und Erschauern das Goetheanum sah. Bilder sagen mehr als tausend Worte. Ein fürchterlicher, unproportionierter, bedrohlicher Koloss, gegen den jedes Gefühl der Ästhetik, der Harmonie, der Mäßigung oder gar Bescheidenheit tief getroffen aufschreit, Ausgeburt eines kranken, selbstverliebt-narzistischen Gehirns.
    Mehr als platt übrigens, sich des höchst geachteten, meiner Ansicht nach meist überschätzen Deutschen Dichters und Denkers zu bedienen, der sich nicht mehr gegen diese Vereinnahmung wehren kann – DAS hat er keinesfalls verdient!

    Seit diesem Zeit-PUNKT, es war wirklich ein plötzliches, gefühlsmäßiges Erfassen, misstraue ich der Anthroposophie-Bewegung, und leider hat sich das in den 30 Jahren seitdem immer mehr bestätigt. Die theoretisch gute, aber leider ziemlich weltfremde Idee einer Schule ohne Noten, die Kinder individuell fördert, ist das einig Positive daran, das wird aber durch braun angehauchte Ansichten, wie sie eben z. B. in der Einstellung zum Impfen zum Ausdruck kommen, leider völlig zunichte gemacht. Die Anthroposophen vernebeln den Geist mit ihren wirren Ansichten, so dass das heilende Licht der Vernunft und des klaren Verstandes zuletzt die Hörigen nicht mehr erreicht.

    Deshalb rufe ich hier auch zu einem Boykott der ach so betulichen Firma Weleda auf, hinter der diese Wirrköpfe stehen, und anderer Firmen wie Heel und DHU, die nicht einmal Produkte aus hochwertigen Rohstoffen herstellen, sondern den Patienten einfach nur für teures Geld leere Globuli, Tabletten und Injektionslösungen verkaufen, die nichts enthalten als, sagen wir es mal nett: Den Irrtum der Homöopathie.

    Dr. Peter Pommer

    1. Soweit ich weiß ist, von Masern abgesehen ;), meine praktische Erfahrung mit Anthroposophie sehr klein. Ich habe allerdings vor, das bald zu ändern. Man soll ja alles mal probieren…

  5. Bitte meinen Kommentar löschen, ich bin falsch.

    Aber hier ist ein Rechtschreibfehler drin:
    >>als Angehörige einer klindlichen Rasse, nicht die geistigen Möglichkeiten, sich mit karmischen Ereignissen auseinanderzusetzen und das Ganze auch zu überleben. Ganz im Gegensatz zur erwachsenen weißen Rasse, die zukünftige..<<

    Muss das nicht "einer kindlichen Rasse" heißen? Ich möchte den Artikel gern weiter verbreiten, daher meine Pinkeligkeit – mein Kommentar muss nicht veröffentlicht werden ;-)

    1. 1. erledigt
      2. Sie dürfen, auch mitohne Rechtschreibfehhler, die dürfen unsere Leser immer behalten.
      3. Doch, das haben Sie nun davon ;)
      e2m

    2. Mit „Pinkeligkeit“ ist wohl „Pingeligkeit“ gemeint, sonst denkt man noch an eine Blasenschwäche!

  6. Sehr schöner Artikel, nur Zahlenangaben wie 2-3000 und 10-12000 irritieren mich etwas. Wenn man es laut ließt, ist das kein Problem, aber wenn ich das durchlese gehe ich von zwei bis dreitausend bzw. zehn bis zwölftausend aus und das war sicher nicht gemeint.

  7. ein wichtiger Hinweis, der in diesem Zusammenhang noch erscheinen sollte:
    Die Impfgegner-Szene (damit meine ich nicht Kritiker einzelner Impfungen, zu denen ich auch gehöre) hat intensive Vernetzungen zur rechtsradikalen Szene bis hin zur “Provisorischen Reichsregierung” und zur kriminellen Paramedizin wie z. B. die “Germanische Neue Medizin”, die einer unbekannten Zahl von Menschen schon bisher das Leben gekostet hat und eine lächerliche Scheinuniversität in Norwegen betreibt, die aus einem Einfamilienhaus besteht und Monopoly-Titel wie “Univ.-Doz.” vergibt die, jetzt wird´s noch lächerlicher, in Österreich anscheinend geführt werden dürfen.

    Auch Verbindungen zur Scientology und zur Nahrungsergänzungs-Szene gibt es.

    Für das Impfkapitel eine Buches über Paramedizin, das in der zweiten Jahreshälfte des Jahres erscheinen wird, habe ich intensiv über Impfgegner recherchiert, und mir wurde schwindlig, wie viele Geschäftemacher und zum Teil auch gefährliche und kriminelle Wirrköpfe sich da tummeln. Diese Recherche ist ein Krimi, den jeder nachvollziehen kann, der sich die Mühe macht, ein wenig tiefer einzusteigen.

  8. Masern sind übrigens nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
    Stichwort Masernenzephalitis.

  9. Es scheinen hier viele Menschen unterwegs zu sein, die die Freiheit des Andersdenkenden und -handelnden nicht akzeptieren können. Durch solche Geisteshaltung wird der Boden bereitet für Vereinheitlichung, Gleichschaltung und Mißtrauen, wo das hinführt können wir in Geschichte und Gegenwart nachlesen. Vor der Kritik steht die Selbstkritik, d.h. erstmal in den Spiegel schauen oder vor der eigenen Hütte kehren, think about it…Und Texte sollten immer im zeitlichen Kontext betrachtet werden, sonst wird`s unsauber.
    Zum ursprünglichen Thema: Masern können gut sein, können schlecht sein, Impfungen dagegen ebenso, jeder muß diese Entscheidung für sein Kind frei treffen können. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Danke für´s Lesen.

    Edit durch merdeister: Die Aussage, Masern könnten „gut sein“ trifft einzig und allein für das anthroposophische Glaubenssystem zu. Weltweit starben im Jahr 2010 139.300 Kinder an Maser. Jeden einzelnen dieser Tode hätte man durch zwei Impfungen verhindern können.

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