LMHI – Grafologische Homöopathie

Im letzten Text zum 72. Homöopathischen Weltärztekongresses in Leipzig 2017 (LMHI) haben wir uns mit der faszinierenden Wirkung der Homöopathie bei Krebs beschäftigt. Heute soll es um einen weiteren bahnbrechenden Abstract gehen.

Frau Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit und Mitglied des Deutschen Bundestages, wünscht sich „alternative Behandlungsmethoden“ die durch „belastbare Studienergebnisse untermauert, (…) die hohe Qualität unserer Gesundheitsversorgung ergänzen (können)“. Diesem Wunsch der Staatssekretärin kommen die Homöopathen nach! „Im Sinne einer ‚integrativen Medizin‘“ stellt ein Autor aus Griechenland ein Konzept vor, dass soviel neues in die Homöopathie integriert, dass die Wände wackeln.

Wir erinnern uns: Homöopathie ist eine Medizin, mit der man jede Erkrankung behandeln kann. Wichtig ist, dass man die richtigen Symptome erkennt. Aber natürlich werden nicht die Symptome behandelt, sondern „der ganze Mensch“. Symptome haben in der Homöopathie leider die Gewohnheit, sich ein wenig zu zieren. Sie müssen geradezu herausgearbeitet, denn, es sollen die Individuellsten sein. Nicht wie in der „Schulmedizin“ wo alle mit denselben Symptomen auch dieselbe Erkrankung haben. So ein Unsinn. Manchmal sind die Symptome so schüchtern, dass sie durch einfaches Erfragen nicht zu erfahren sind. Hier kann ein Homöopath mit dem Baumzeichentest ein projektives Verfahren anwenden. Der Baumzeichentest wird im Abstract CM09/03 beschrieben. Doch bevor wir uns den Ausführungen von „V. Zafeiriou“, Homöopath und Psychiater, zuwenden, folgt ein kurzer Exkurs über „Projektive Verfahren“.

Projektive Verfahren dienen dazu, herauszufinden, was ein Mensch denkt und fühlt, indem man seine Reaktion auf mehrdeutige „Reizmaterialien“ und „Aufgabensituationen“ interpretiert. Das bekannteste Verfahren ist wahrscheinlich der Rorschachtest. Der wurde über Jahrzehnte genutzt um Erkrankungen zu diagnostizieren. Schaut man sich projektive Verfahren systematisch an, stellt sich heraus dass ihre Ergebnisse „abhängig vom Begutachter (nicht objektiv) und ungenau (unreliabel)“ waren sowie nicht das maßen, „was sie zu messen vorgaben (nicht valide)“. Sie sind also in der Diagnostik relativ sinnlos. Es gibt in der Psychotherapie die eine oder andere Situation, in der man projektive Verfahren nutzen kann, um über bestimmte Themen ins Gespräch zu kommen, ansonsten sind sie eher wenig relevant. Schlimmer noch als die mangelnde Verlässlichkeit von Zeichentests, zu denen der Baumzeichentest gehört, ist dass „(…) klinisch tätige Psychologen und Ärzte nachweislich dazu (neigen), gesunden Personen eine psychische Störung zuzuschreiben, sofern sie nicht über künstlerische (Zeichen-)Fähigkeiten verfügen“.

Alles in allem handelt es sich somit um das perfekte Verfahren für Homöopathen. Zafeiriou schreibt, Handschrift sei die „gebräuchlichste, einfachste und wohl bekannte Form der Zeichnung“. Diese sei für den Einzelnen „so einzigartig wie ein Fingerabdruck“ und stelle eine „beträchtliche Menge an Informationen über die Persönlichkeit und Psychologie des Schriftstellers dar.“ In Klammern ergänzt Zafeiriou „Grafologie“. Damit bestätigt er die Beobachtung, dass Homöopathie andere pseudowissenschaftliche Verfahren anzieht wie Licht die Motten. Ein Licht, in dem man den „ganzen Menschen“ sieht.

Herr Zafeiriou wird auf dem 72. LMHI Zeichnungen, genauer: Baumzeichnungen seiner „homöopathischen Patienten“ zeigen. Das müssten Patienten sein, die es nicht gibt? Mithilfe dieser Baumzeichnungen konnten „homöopathisch wichtige Informationen aufgedeckt“ werden. Zum Beispiel Informationen über die „Persönlichkeit und die Psychopathologie“, seine „psychologische Stärke, Sexualität, Partnerschaft, Lebenskreativität und vergangene Lebensereignisse“.

„Ich sehe, hier hängen die Äste sehr herunter. Seit wann haben Sie Potenzprobleme?“

„Das ist ein Weide! Ich mag Weiden. Ich bin hier, weil ich meine Schmerzen im Knie nicht loswerde!“

„Potenzprobleme sind nichts, für das man sich schämen müsste…“

„Ich habe KEINE Potenzprobleme!“

„Sie sehen hier den dicken Stamm, der zeigt, dass sie dazu neigen, auf Ihrer Meinung zu bestehen.“

„Es ist eine WEIDE, Weiden HABEN einen dicken Stamm!!!“

„Die dünnen Zweige deuten auf einen Hang zur Aggressivität hin. Das ist nicht untypisch für Menschen mit Potenzproblemen.“

In Ihrem Grußwort schreibt Frau Widmann-Mauz: „Die interdisziplinäre Vernetzung“ und ein Erfahrungsaustausch „über den Tellerrand hinweg“ können neue Impulse und Synergieeffekte mit sich bringen.“ Dieser „interdisziplinären Vernetzung“ wird der Abstract von Herrn Zafeiriou mehr als gerecht: Er vernetzt ein in die Jahre gekommenes, wenig verlässliches Verfahren der Psychodiagnostik mit einer pseudowissenschaftlichen Methode mithilfe der Interpretation von jemandem, der an eine über 200 Jahre alte Phantasietherapie glaubt. Da schaut er weit, weit über „den Tellerrand“ und integriert was das Zeug hält. Wer den ganzen Mensch sehen will, kann sich nicht mit halben Sachen abgeben.

Doch das ist noch nicht alles. Mithilfe des Baumzeichentests können auch „positive Veränderungen“ gezeigt werden, noch „bevor der Patient sie spontan verbal benennt“

„Und, wie geht es Ihnen seit unserem letzten Termin? Sind die Schmerzen im Knie besser geworden“

„Ja, die sind fast weg, vielen Dank.“

„Und was ist mit den Potenzproblemen?“

„Ich HABE keine Potenzprobleme!!!“

„Zeichnen Sie mal einen Baum.“

Das schöne an der Homöopathie ist ja, dass sie den ganzen Menschen sieht.

14 Gedanken zu “LMHI – Grafologische Homöopathie

  1. Beim Therapeuten also niemals Weiden zeichnen, er könnte ja Homöopath sein? Oh Hagel, darauf eine handvoll Durchgeknallt C60!

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